Sägten Naturfreunde Kiefernwald um?

■ Im Grunewald wurden 800 Jungkiefern fachmännisch umgelegt / Dreijähriges Wald-Forschungsprojekt war umsonst / Täter hatten vermutlich „ökologische Motive“

Unbekannte Täter haben über 800 Jungkiefern gefällt, die 1985 im Grunewald zu Versuchszwecken angepflanzt worden waren. Auf 200.000 Mark bezifferte der Versuchsleiter, Hartmut Balder vom Pflanzenschutzamt, gestern den Sachschaden. Ungleich größer sei der Verlust für die Waldforschung. Am Freitag wurde der Frevel entdeckt, gestern machte die Senatsumweltverwaltung den Fall publik. Sie sprach von „Rowdys“. „Das kann man ausschließen“, erklärte dagegen Versuchsleiter Balder. Nicht vollkommen ausschließen will er hingegen, daß die Täter aus den eigenen Reihen kommen, etwa aus dem an dem Versuch beteiligten Landesforstamt. Denn die etwa drei Zentimeter dicken Stämme wurden „fachmännisch“ direkt über dem Boden abgeschnitten. Neue Triebe können jetzt nicht mehr nachwachsen, die Bäume sind vernichtet - „als hätten wir das selbst gemacht“, urteilte ein von der taz befragter Förster.

Der Revierförster wird es wohl nicht gewesen sein. Er liegt seit Wochen im Krankenhaus. Aus diesem Grund, so Balder, blieb die Tat, die vor über einem Monat begangen worden sein muß, auch lange unentdeckt. Das Landesforstamt wird jetzt Strafanzeige stellen - gegen Unbekannt.

Im Rahmen des Waldgesundheitsprogramms des Senats sollte der Kiefern-Versuch aufweisen, wie Bäume trotz saurem Boden an- und rasch aufwachsen können. 14 verschiedene Formen der Wurzelbehandlung sollten bei den 800 Kiefern 15 bis 20 Jahre lang verglichen werden. „Jetzt können wir die ganzen Daten wegschmeißen. Alles war für die Katz'“, beklagt Balder, der sich dennoch „nicht entmutigen“ lassen will.

Die Täter waren offenbar nicht nur gründlich und fachlich beschlagen, sie waren auch gut vorbereitet. Eine Gartenschere hätte es nicht getan, meint Balder. Außerdem seien die Bäume wohl von einer Gruppe mehrerer Menschen gekappt worden. Balder fragt sich nun, wer ein Motiv gehabt haben könnte. Die Jungkiefern blieben am Tatort, Weihnachtsbaumverkäufer scheiden als Täter also aus. Balder sieht eher „eine Interessengruppe“ am Werk, „die nicht wollte, daß dort aufgeforstet wird“ - zum Beispiel aus ökologischen Gründen.

Denn es gab auch Ökologen, die gefordert hatten, auf das Aufforsten an dieser Stelle zu verzichten und statt dessen einen gleichfalls wertvollen Trockenrasen wachsen zu lassen. Auch im seit jeher zerstrittenen Forstamt hatte es solche Stimmen gegeben. Waldforscher Balder allerdings beruhigt sich: Er habe stets zu allen Fraktionen im Forstamt ein gutes Verhältnis gehabt.

hmt