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Bahnhof frei für Pazifisten

■ Bundesbahn erteilte Bahnhofsverbot zu Unrecht / Ludwig Baumann, früherer Deserteur und KZ-Häftling, durfte auf dem Bahnsteig Ansprachen halten / Höchstrichterlicher Segen

Amtlich wird es ja erst bei der Urteilsverkündung. Aber schon gestern, nach der Verhandlung, ließen die Richter vom Celler Oberlandesgericht durchblicken, was sie im Dezember verkünden werden: Die Bundesbahn hat dem Kriegsgegner Ludwig Baumann im Juli 1987 zu Unrecht ein dreimonatiges Betretungsverbot für den Bremer Hauptbahnhof erteilt.

Baumann habe den Verkehr gestört, hatte ihm die Bahndirektion vorgeworfen. Dazu bekannte sich Baumann - aber nur in einer Hinsicht: Er wollte den Nachschub an

frischen, dienstwilligen Rekruten für die Bundeswehr mit pazifistischen Ansprachen stören. Denn der „Tattag“ Anfang Juli war einer von vier Tagen im Jahr, an denen junge Männer aus der Umgebung über den Bremer Hauptbahnhof in die norddeutschen Garnisonsstädte eingezogen werden. Ludwig Baumann, 67 Jahre alt, Deserteur von Hitlers Marine und KZ -Häftling, stellte sich an diesem Tag vor die Rekruten und appellierte an sie, sich nicht zu Werkzeugen neuer Kriegsvorbereitungen machen zu lassen.

Bahnpolizisten führten ihn auf

die Wache. Das Betreten des Bahnhofs wurde ihm bis zum 30. September untersagt.

In allen Instanzen, die Baumann mit seinem Protest gegen das Bahnhofsverbot durchlief, bekam er recht. Der Spruch von Celle ist nun der höchstrichterliche Segen für seine pazifistische Bewegungsfreiheit auf Bremens Hauptbahnhof. Daran konnten auch die haargenau aufeinander abgestimmten Aussagen der Bahnpolilizisten nichts ändern, die den 67jährigen als Randalierer erscheinen lassen wollten.

mw

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