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Lebensmittelindustrie fordert: Giftfraß soll geheim bleiben

■ Lebensmittelindustrie will öffentliche Warnung vor verseuchten Lebensmitteln verbieten / Hersteller sollen geschützt werden / „Angriff auf Gesundheitsschutz“

Berlin (taz/ap) - Vor Hormonkälbern, wurmverseuchten Fischen oder „vorgebrüteten“ Eiernudeln sollen die Feinschmecker im Lande künftig nur noch in Ausnahmefällen gewarnt werden. Mit dieser Rechtsauffassung hat die deutsche Lebensmittelindustrie die branchengerechte Antwort auf die Lebensmittel-Skandale der jüngsten Vergangenheit gefunden. Die wegweisende Position ist in einem Gutachten enthalten, das der Stuttgarter Rechtsprofessor Klaus-Peter Dolde gestern anläßlich einer Tagung des „Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittel“ (BLL) in Bonn vorstellte.

Einzige denkbare Rechtsgrundlage für Behörden-Warnungen vor vergifteten oder sonstwie verseuchten Lebensmitteln sind laut Dolde die Polizeigesetze der Länder. Danach dürfen Auskünfte nur erteilt werden, „um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren“. Normalerweise dürfe deshalb vor Kauf und Verzehr von Lebensmitteln auch dann nicht öffentlich gewarnt werden - meint Dolde -, wenn ihr Verkauf nach dem Gesetz verboten ist. Wegen der „schwerwiegenden Wirkungen“ einer öffentlichen Diskussion über bestimmte Produkte müsse der Lebensbereich des Herstellers grundgesetzlich geschützt werden.

Statt die Lebensmittel zu entgiften, meinte einigermaßen baff Gerd Billen von der Verbraucherinitiative Bonn, bereite die Lebensmittelindustrie offenbar einen „Angriff auf den Gesundheitsschutz“ vor. Sollte sich Doldes Ansicht durchsetzen, wäre das Bundesgesundheitsamt in Sachen Giftfraß zum Schweigen verdonnert. Denn: Polizeirecht ist ausschließlich Ländersache.

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