: Papandreous Selbstreinigung mit großen Flecken
Die groß angekündigte Regierungsumbildung in Griechenland ist weder radikal noch reinigend / Stattdessen versucht der Regierungschef, mit Drohvokabeln und finsteren Verschwörungstheorien Volk und Partei zu disziplinieren ■ Von Niels Kadritzke
Die „radikale Regierungsumbildung“, mit der Ministerpräsident Papandreou der durch den Koskotas-Skandal diskreditierten PASOK-Herrschaft eine neue Fassade verleihen wollte, wird in Griechenland von der rechten wie von der linken Opposition als mißglückte kosmetische Operation bewertet. Statt die Bereitschaft zu umfassender „Selbstreinigung“ zu signalisieren, hat die Kabinettsumbildung die korruptionsgezeichneten Züge der Regierungspartei nur noch deutlicher hervortreten lassen. Mit bitteren Schlagzeilen reagierten die meisten Zeitungen vor allem auf die neuerliche Aufwertung des engsten Papandreou-Vertrauten Koutsojorgas. Der ehemalige Justizminister erhielt einen herausragenden Kabinettsposten, der etwa dem des Bonner „Kanzleramtsministers“ entspricht obwohl die Wochenzeitung 'To Vima‘ seine strategische Rolle als politischer Pate des Großbetrügers Koskotas lückenlos dokumentiert hatte. Befördert wurde auch der ehemalige Verkehrsminister Petsos, der offenbar als so unentbehrlich gilt, daß er jetzt für die gesamte „öffentliche Ordnung“ zuständig ist - letzte Woche machte ihn der engste Mitarbeiter des geflüchteten Koskotas als Verbindungsmann zwischen seinem Chef und der PASOK-Spitze namhaft.
Die moralische Beweisnot der Regierung wird durch die „negative“ Kabinettsliste noch deutlicher. Papandreou hat nicht eine der Personen berufen, die er der Öffentlichkeit als Symbol für eine „moralische Erneuerung“ hatte präsentieren wollen. Man kann davon ausgehen, daß keiner der Kandidaten einem solchen Ruf gefolgt wäre. Wer begibt sich schon freiwillig an Bord eines sinkenden Schiffes, dessen realitätsblinder Kapitän sich vormacht, seine Karriere als U -Boot-Kapitän fortsetzen zu können? Tatsächlich sieht Papandreou wohl nur eine Möglichkeit, um seine Partei zusammenzuhalten: durchtauchen bis zu den Wahlen im Juni 1989.
Daß dazu die Drohung mit dem Verlust der Macht nicht ausreicht, hat allerdings der Fernsehauftritt des Parteiführers am vergangenen Wochenende deutlich gemacht. Als er seine innerparteilichen Kritiker als potentielle „Abtrünnige“ und parlamentarische Überläufer brandmarkte, griff er bewußt auf eine Drohvokabel aus der Zeit vor der Militärdiktatur zurück - sie wurde als politisches Totschlagwort empfunden. Der Disziplinierung der Partei galt auch der Hinweis, in den Kulissen des Koskotas-Skandals lauerten finstere Kräfte, deren einziges Ziel es sei, die Regierung zu stürzen und die politischen Verhältnisse in Griechenland zu destabilisieren.
Solche Methoden, mit denen Papandreou - unter tätiger Mithilfe des fast schon gleichgeschalteten Fernsehens - ein imaginäres „Volk“ zur Verteidigung der PASOK-Pfründe zu mobilisieren sucht, erinneren viele Griechen bereits an die autoritären Auftritte eines Ceausescu. Auf diese Tendenzen machte der ehemalige Minister und Papandreou-Vertraute Lazaris aufmerksam, als er sein Abgeordnetenmandat aufgab und aus der Partei austrat. Zwar hat dieser Schritt des allseits geachteten Demokraten keine Nachahmer unter der Parteiprominenz gefunden. Aber diese ist andererseits auch nicht mehr in der Lage, die Basis der Partei für ihre Zwecke zu begeistern. Was „das Volk“ angeht, so würde es den Aufruf Papandreous zur Verteidigung „der demokratischen Institutionen“ wohl unverzüglich mit der Abwahl der PASOK -Regierung beantworten.
Für die Wähler spielt inzwischen die Verläßlichkeit der Informationen und Spekulationen über den Fall Koskotas kaum mehr eine Rolle. Was immer sich noch an atemberaubenden Enthüllungen bewahrheiten mag: entscheidend ist, daß die Griechen - nach der Flucht von Koskotas - ihrer Regierung buchstäblich alles zutrauen.
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