: Vor Mißtrauensvotum gegen Albrecht
Der Landtag in Hannover lehnt seine Selbstauflösung ab / Der komplizierte Weg der SPD zu Neuwahlen - über das konstruktive Mißtrauensvotum und eine Selbstauflösung des Landtags mit einfacher Mehrheit ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Der niedersächsische Landtag tastet sich langsam an die Abstimmung über das konstruktive Mißtrauensvotum heran: Gerhard Schröder gegen Ernst Albrecht. Gestern hat das Landesparlament in namentlicher, offener Abstimmung mit den 78 Stimmen der CDU/FDP-Koalition gegen die 77 Stimmen der Sozialdemokraten und der Grünen einen SPD-Antrag auf „Selbstauflösung des Landtages“ abgelehnt.
Gleich nach der gestrigen Landtagssondersitzung, in der nur über die Auflösung abgestimmt wurde, brachten die 66 SPD -Landtagsabgeordneten den angekündigten Mißtrauensantrag gegen Ministerpräsident Albrecht ein. In einer weiteren Sondersitzung am Donnerstag, so bestätigte der Ältestenrat des Parlaments gestern noch einmal, wird der Landtag über den Mißtrauensantrag debattieren, am 19.Dezember schließlich werden die 155 Abgeordneten zu entscheiden haben, ob „der Abgeordnete Gerhard Schröder zum neuen Niedersächsischen Ministerpräsidenten“ gewählt und „dadurch Ministerpräsident Dr.Ernst Albrecht das Vertrauen“ entzogen wird.
Ganze 15 Minuten dauerte gestern morgen die Sondersitzung natürlich hatte niemand erwartet, daß die notwendige Zwei -Drittel-Mehrheit für die Selbstauflösung des Landtages zustande kommen würde.
Als die SPD vor knapp vier Wochen endlich dem Drängen der Grünen gefolgt war und der Landesvorstand sich auf das konstruktive Mißtrauensvotum geeinigt hatte, war der Antrag auf Selbstauflösung des Landtages vorgeschaltet worden. Dieser Antrag solle deutlich machen, so damals Gerhard Schröder, daß „Neuwahlen und nicht die Übernahme der Macht auf kaltem Wege das eigentliche Ziel des Mißtrauensvotums sind“.
Für Neuwahlen in Niedersachsen, so ermittelte Ende vergangener Woche das Dortmunder Forsa-Institut im Auftrag der hannoverschen 'Neuen Presse‘, sind immer noch 48 Prozent der wahlberechtigten Bürger des Bundeslandes gegen eine vorgezogene Wahl, nur 24 Prozent der Niedersachsen. Kurz nach dem Rücktritt von Wilfried Hasselmann als Innenminister hatten sich allerdings 51 Prozent für Neuwahlen ausgesprochen, allerdings waren damals auch 27 Prozent dagegen gewesen.
Eine Abstimmung, in der der Landtag mit einfacher Mehrheit seine Auflösung beschließt, kann die SPD laut Landesverfassung erst erreichen, wenn sie sich mit dem Mißtrauensantrag durchsetzt, also den Ministerpräsidenten stellt. Auf eine Überläuferstimme aus dem Lager der CDU/FDP -Koalition muß die SPD bei diesem komplizierten Weg zu Neuwahlen also hoffen, auch wenn dieser nach allen Bekundungen der SPD bisher nicht in Sicht ist.
An die Ursache der Krise der Albrecht-Regierung erinnerten in der gestrigen Landtagssitzung, in der die Abgeordneten in der Abstimmung nur „ja“ oder „nein“ sagen durften, nur die Grünen. Ihre elf Abgeordneten trugen allesamt T-Shirts, die unter dem Titel „Casino-Niedersachsen“ Wilfried-Hasselmann und Ernst Albrecht vor einer Roulette-Scheibe zeigen - mit Geld in der Hand.
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