: „Abgekartetes Spiel“
■ Erste Entscheidungen über FU-Strukturreform: Mit verteilten Rollen drückte die rechte Mehrheit die sofortige Zusammenlegung der verfeindeten Psychologie-Institute durch / Sitzung nach Tumult unterbrochen
Tumult im Kuratorium der FU: Nach gut drei Stunden Beratung über die Strukturreform ging am Montag nichts mehr. Kuratoren fauchten sich an, und das Publikum protestierte mit Trillerpfeifen und Gebrüll. Das Kuratorium setzte eine Anfang des Monats unterbrochene Sitzung fort. Die Struktur der medizinischen Fächergruppe wurde zügig beschlossen. Die Diskussion um die Fächergruppe zwei, zu der die strittigen Sozialwissenschaften gehören, mißriet dennoch bald zum gewohnten Gezerre.
Wissenschaftssenator Turner, Vorsitzender des Kuratoriums, und FU-Präsident Heckelmann sträubten sich auch diesmal mit allerlei Spitzfindigkeiten gegen die Anhörung betroffener Fachvertreter. Daß der Philosphie-Professor Böhler nach langem Hin und Her dann doch noch reden durfte, half im wenig: Gegen den einmütigen Willen des Faches und gegen den Beschluß des Akademischen Senats der FU verlagerte das Kuratorium die Philosophie in den Fachbereich Kulturwissenschaften (Fächergruppe drei).
Die Zusammenlegung der beiden psychologischen Institute war von vorneherein unstrittig. Der Akademische Senat wollte die Psychologien innerhalb von drei Jahren als Untergliederung des Fachbereichs Sozialwissenschaften zusammenführen. Bis dahin sollte sich eine paritätisch besetzte Kommission um gemeinsame Angelegenheiten kümmern. Um dieses Vorgehen wurde nun heftig gezankt. Der Psychologe Hans-Eberhard Zahn überraschte mit der Forderung nach einem eigenen Fachbereich Psychologie. Eine aberwitzige Idee angesichts des Ziels der Strukturreform, die Zahl der Fachbereiche zu verringern. Dennoch zog sich die Debatte über den Zahn-Plan in die Länge. Das linksorientierte Psychologische Institut (PI) befürchtete, im gemeinsamen Fachbereich mit dem „rechteren“ Institut (IfP) übervorteilt zu werden.
Schließlich forderte der Physik-Professor Theis, die Psychologen zwar, wie geplant, in die Sozialwissenschaften einzufügen, jedoch nicht in drei Jahren, sondern gleich. Von Heckelmann bedrängt zog Zahn, der selbst zur „rechten“ Psychologie zählt, daraufhin maulend seinen Antrag zurück: Er wolle ein „Opfer für die Psychologie“ bringen und den Weg freimachen für Theis‘ Vorschlag. Mit dem mochten sich die „linkeren“ Psychologen freilich genausowenig anfreunden.
Zahn und Theis werden zu Heckelmanns engerer Gefolgschaft gerechnet. So schien es kein Zufall zu sein, daß Zahn zunächst den bisherigen Konsens zerschlug, um dann mit Heckelmann den Antrag Theis‘ zu unterstützen, wie der Kommunikationswissenschaftler Zerdick andeutete. Der FDP -Abgeordnete Biederbick war „völlig platt“. Heckelmann wies die Bezeichnung „abgekartetes Spiel“ für das Zahn/Theis -Manöver zurück, räumte aber indirekt den Tatbestand ein: Es sei völlig normal, daß interessierte Personen an ihn heranträten.
Das Publikum verhielt sich zunächst weitgehend artig. Als das Kuratorium aber den Antrag Theis‘ in geheimer Abstimmung annahm, war es aus mit der Ruhe. Studenten lagen sich erschüttert in den Armen, andere machten lauthals ihrer Wut Luft. Der Senator verlegte die Sitzung in ein vorbereitetes Ausweichquartier in Lankwitz und schloß zugleich die Öffentlichkeit aus. Vor Ort - die linke Fraktion fehlte fast völlig - verfügte der Senator jedoch die Vertagung der Sitzung. Sie soll am kommenden Montag um 15 Uhr nichtöffentlich fortgesetzt werden. Ein Ort stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.
Die sofortige Zwangsvereinigung der beiden Psychologien hat beim Psychologischen Institut zur Verbitterung geführt. Es sieht, wie es in einer Pressemitteilung heißt, „die Rahmenbedingungen für eine wissenschaftliche Arbeit und Kooperation nicht geschaffen, sondern zerstört“. Hochschulpolitik verkomme so „zur Intrigenpolitik“.
Marc Werner
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