: Not als Tugend
Warum die SPD auf die Basis schaut ■ K O M M E N T A R
Das Problem mit Politikerreden ist stets das gleiche: Sie referieren verspätet das, was längst gesellschaftliches Allgemeinwissen ist. Nur konnte sich Walter Momper in diesem Fall nicht entscheiden, welche der Erkenntnisse, die die vielbeschworenen Menschen draußen im Lande inzwischen längst gewonnen haben, er nun vortragen sollte. So ergibt sich auf den zweiten Blick ein seltsam widersprüchliches Konglomerat. Einerseits gibt Momper den Leuten eigentlich recht, wenn sie sich nicht am zeitraubenden und ineffektiven Parteiinnen und Außenleben beteiligen, andererseits klingt der Jammer über den Liebesentzug und die angeblich hohen Erwartungen an die Parteien durch seine Rede. Also hinkt die SPD nach, indem sie ernsthaft Forderungen aus den K-Gruppen der siebziger Jahre und der grün-alternativen Bewegung auftischt. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem Direktwahlen und Volksabstimmungen gerade dort wieder kritisch diskutiert werden. Die einstigen KBW-Forderungen nach freier Wahl der Lehrer durch das Volk hat schon damals niemand ernstgenommen. Wie das Volk seinen Rundfunk gerne hätte, hat es schon längst entschieden, auch ohne bezirksweise Bürgervertreter in einen Rundfunkrat zu entsenden.
Die eigentliche Message in Mompers APO-Thesen ist aber, daß er zwei Monate vor der Wahl aus der Not eine Tugend macht: Die SPD glaubt nämlich nicht ernsthaft daran, an die Macht zu kommen. Die SPD hat sich ganz offensichtlich langfristig eingerichtet in ihrer Oppositionsrolle und kündigt an, sich als Partei noch mehr Selbstbeschränkung auferlegen zu wollen. Eine Partei, die wirklich regieren will, setzt weder ausschließlich auf Kampagnen, noch ruft sie nach mehr Einfluß über den Umweg von Bürgervertretern und Volksentscheiden.
Rita Hermanns
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