: Aufruhr in Aserbeidjan
■ Drei Soldaten bei Unruhen in Aserbeidjan getötet / 126 Menschen verletzt Demonstrationen in Baku und Tiflis / Sowjetvölker wollen zusammenarbeiten
Moskau (afp) - Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow ist gestern mit einem neuen Höhepunkt der Protestbewegung nichtrussischer Sowjetvölker konfrontiert worden. Bei Unruhen in der Sowjetrepublik Aserbeidjan waren am Dienstag drei Soldaten getötet worden, 126 Menschen wurden verletzt. Das gab das Innenministerium der Teilrepublik gestern bekannt.
Neben dem ungelösten Konflikt zwischen christlichen Armeniern und moslemischen Aserbeidjanern hält vor allem in den baltischen Staaten die Kritik an Zentralisierungsbestrebungen im Rahmen der sowjetischen Verfassungsreform an. In Georgien formierte sich am Mittwoch eine große Demonstration vor dem Republiksowjet in Tiflis, als die Abgeordneten über Gorbatschows Verfassungsreform beraten wollten. Erstmals in der Geschichte der UdSSR streben verschiedene Bewegungen der Sowjetvölker eine Zusammenarbeit an. Eine Delegation des armenischen Karabach -Komitees war am Wochenende in die litauische Hauptstadt Wilna gereist, wurde in Eriwan bekannt.
In Aserbeidjan kam es beim Einmarsch von Sicherhheitstruppen in die Orte Kirowabad und Nachitschewan am Dienstag zu blutigen Zusammenstößen, hieß es aus Baku. Drei Soldaten kamen ums Leben. Daraufhin wurde in den beiden Städten der Ausnahmezustand ausgerufen. Unter den Verletzten seien sowohl Armenier als auch Aserbeidjaner, gab Fortsetzung Seite 2
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das Ministerium an. Gestern weiteten sich die Proteste in Aserbeidjan weiter aus. Allein in der Hauptstadt Baku sollen rund 800.000 Menschen gegen die Ausgliederung der mehrheitlich von Armeniern bewohnten Region Berg-Karabach aus Aserbeidjan demonstriert haben. Der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, gab zu, die Lage in Baku sei „komplex“. In Baku leben etwa 200.000 Armenier.
Der Protest erreichte auch die zweitgrößte Stadt der Republik Tschutscha, wo sich eine von der Nachbarrepublik Armenien finanzierte und geleitete Aluminiumfabrik befindet. Die Aserbeidjaner sehen in der Fabrik den Versuch, die armenische Präsenz in Aserbeidjan aufrechtzuerhalten. Offenbar im Zusammenhang mit der Massendemonstration brach das armenische Parlament am Dienstag überraschend seine Sitzung ab.
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