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Sparkasse rüttelt an Tabus

■ Münchner Stadtsparkasse spendet 15.000 Mark für autonomes Frauenprojekt / Marketingchef favorisiert „Zufluchtsstelle für mißbrauchte Mädchen“

München (taz) - Eine junge Mutter stillt ihr Kind. Hinter ihr an der Wand des Raums hängt ein überdimensionaler Scheck, ausgestellt auf 15.000 Mark. Adressat: die „Zufluchtstätte für Mädchen in Notsituationen“ von der Initiative Münchner Mädchenarbeit e.V., kurz IMMA genannt. „Wir haben uns gedacht, den üblichen Bierkrug streichen wir“, erklärt der graumelierte Mittfünfziger im hellgrauen Anzug gerade vor versammelter Frauenrunde.

Es ist Josef Turiaux, der Vorstandsvorsitzende der Münchner Stadtsparkasse. Von seinem Marketingchef kam die Idee, das Projekt der autonomen Frauenbewegung zu unterstützen, das sich mit dem Tabuthema „sexueller Mißbrauch von Mädchen“ beschäftigt und noch einmalig in der BRD ist.

Rund eine halbe Million spendet die Sparkasse nach eigenen Angaben jährlich für Kunst, Wissenschaft und Kultur. Für die Frauen kam das Spendenangebot im Frühjahr wie gerufen. Denn für das Jahr 88 bewilligte das bayerische Sozialministerium für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts nur 80 Prozent ihres Etats, und auch das nur unter der Voraussetzung, daß IMMA den Rest von 20 Prozent aus Eigenmitteln aufbringen kann. „'ne Null mehr wär besser“, bekam der Sparkassendirektor bereits vor der Scheckübergabe von den Frauen zu hören. „Wir werden uns sicher nicht zieren, wenn Sie im nächsten Jahr wiederkommen“, verspricht Turiaux, Vater von zwei Kindern, dann auch, obwohl er zugeben muß, sich mit diesem Thema noch nie auseinandergesetzt zu haben. „Ein normal funktionierendes Hirn wehrt sich gegen den Gedanken, daß ein Vater sich an seiner Tochter vergeht“, entschuldigt er sich. Doch bevor er zum nächsten Termin eilt, läßt er sich von den Frauen noch kurz Nachhilfeunterricht erteilen. „Sexueller Mißbrauch kann in jeder Familie vorkommen“, wissen die Frauen aus ihrer Arbeit mit den Mädchen.

Spendenkto. V.IMMA e.V., Bank für Sozialwirtschaft, Kto. 7803800, BLZ 70020500

Telefon für hilfesuchende Mädchen: 089/183609

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