piwik no script img

Ein Diktator rührt sein Volk zu Tränen

■ Der älteste Sohn des irakischen Präsidenten Hussein hat den Leibwächter des Vaters erschlagen

Berlin (taz) - Was passiert mit einem irakischen Staatsbürger, der auf offener Straße einen Mann erschlägt? Die Gerichte des irakischen Diktators Saddam Hussein sind nicht zimperlich - der Mann würde zum Tode verurteilt. Aber gelten diese Gesetze auch für den Sohn des Präsidenten? Iraks Regent sitzt in der Klemme. Hineingebracht hat ihn sein ältester Sohn Udai Hussein (24), der bislang als Sunnyboy die Hitlisten der arabischen Klatschspalten schmückte.

Sein Hang zum guten Leben war auch der Ausgangspunkt des aktuellen Dilemmas. Vor knapp zwei Wochen veranstaltete Sohn Ubai im Kreise nahöstlicher Partyprominenz eine Sause auf einer Bagdader Tigrisinsel. Als Ehrengast anwesend: die Frau des agyptischen Staatschefs Hosni Mubarak, für die Sohn Hussein die Fete veranstaltete. Dabei muß es heiß hergegangen sein. Obwohl der Palast sich mit Einzelheiten zurückhält, steht fest, daß vor allem Kamel Hana Dschabdschab, seines Zeichens Haushofmeister, Vorkoster und Leibwächter Saddam Husseins, heftig über die Stränge schlug. Er soll Frau Mubarak belästigt haben und nach entsprechender Zurechtweisung seine Knarre gezogen und wild in die Luft geballert haben. Sohn Ubai fürchtete um seine Fete, und als der wahrscheinlich betrunkene Vorkoster keine Ruhe geben wollte, schritt er zur Tat. Mit einem Stock versetzte er ihm einen derart heftigen Schlag auf den Kopf, daß der Vorkoster anderen Tags verstarb. Seitdem steht Ubai Hussein unter Hausarrest, und Vater Saddam mimt den gestrengen, aber gerechten Despoten des Landes. Sein Sohn, so verfügte der Diktator, habe sich der Justiz zu stellen. Doch der Tyrann hatte offenbar die Liebe des Volkes zu seinem Sohn unterschätzt. Seit Tagen beherrscht die staatlich gelenkten Medien des Irak nur ein Thema: Gnade für Udai Hussein. Hemmungslos weinte der Sprecher des staatlichen Fernsehens, als er den erbarmungslosen Präsidentenukas verlesen mußte. Der Justizminister des Landes verkündete, er sei bereit, sein Geld, seinen Sohn oder gar sich selbst zu opfern, um dem Vater der Nation diese Prüfung zu ersparen.

Die bisherige Krönung der Kampagne: Selbst der Vater des Erschlagenen appellierte an den strengen Saddam, Gnade vor Recht ergehen zu lassen und die Untersuchungen gegen Sohn Udai abzublasen. Doch noch ist der Präsident nicht bereit, die Scharade aus Tausend und einer Nacht abzubrechen: Er läßt sich erst im Fernsehen mit den gerechten Gefährten des Propheten vergleichen, bevor er in wohl doch noch einsehen wird, daß er sich den Bitten seines ganzen Volkes nicht länger verschließen kann.

Omar Sharif

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen