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Heller als tausend Sonnen

■ 50 Jahre Kernspaltung / Robert Jungk über das Verhängnis der Wissenschaftler

„Eine katastrophale Entdeckung“: so der Titel einer AL -Veranstaltung am Freitag, zu der der Zukunftsforscher Robert Jungk auserkoren wurde, die (Un-)Verantwortung der Wissenschaftler im Zeichen des kommenden fünfzigjährigen „Jubiläums“ der Kernspaltung aufzuzeigen. Nicht ohne Hintersinn traf man sich in Zehlendorf, steht doch dort ein umstrittener 5-MW-Atomreaktor. Und im nahen Dahlem, im ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Institut, glückte in jenen Dezembertagen 1938 das Experiment, das die einen als Entdeckung des Jahrhunderts feiern, die anderen als Beginn des atomaren Holocausts sehen: Otto Hahn gelang es zusammen mit Friedrich Straßmann, Urankerne unter Neutronenbestrahlung zu spalten. „Das kann Gott nicht gewollt haben“, soll Hahn gesagt haben, als die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki niedergingen. Jungk zeigte, daß es zumindest die Wissenschaftler und das Kaiser-Wilhelm -Institut wollten: Wie neuere Untersuchungen beweisen, waren deutsche Wissenschaftler aktiv an der Entwicklung der Atombombe beteiligt. Daß sie sie im „Dritten Reich“ nicht realisieren konnten, habe an einer Vorgabe Hitlers gelegen, der wollte, daß neuartige Waffen innerhalb eines halben Jahres einsatzbereit sein müßten. Das war für die deutsche Wissenschaft nicht zu schaffen. Andere waren dagegen schneller: Auf eine Warnung Einsteins hin, der fest davon überzeugt war, daß die Nazis die Atombombe bereits bauen würden, forcierte der damalige US-Präsident Roosevelt die Entwicklung der amerikanischen Bombe. Mit Erfolg, wie man weiß. Robert Jungk sprach davon, daß sich damals der Typus des untertänigen Wissenschaftlers entwickelt habe. Bis Anfang unseres Jahrhunderts habe die Wissenschaft ausschließlich der Wahrheitsfindung gedient. Spätestens im „Dritten Reich“ sei sie dann nur zur Machterhaltung des Staates ausgenutzt worden. Und auch nach dem Ende des Faschismus habe sich die Wissenschaft weiterhin den Zwängen des Staates und des Militärs unterwerfen müssen. Jungk nannte es die „Korrumpierung der Wissenschaft“, die bis heute geprägt sei von dem Nutzengedanken: „Nur was dem Staat nutzt, darf erforscht werden.“ Die heutige Projektwissenschaft, beispielsweise die SDI-Forschung, habe endgültig Abschied vom individuell Forschenden genommen. Diese Verengung der Wissenschaft sei das Grundübel der heutigen Zeit, das zum Untergang der Menschheit führen könne, wenn der Verbindung von Politik und Wissenschaft nicht ein Ende gemacht würde.

Jungk entwarf das Bild einer Zukunftswissenschaft, die sich wieder auf ihre eigentlichen Werte beschränkt und deren ganze Energie auf die Meisterung der Zivilisationsprobleme der Menschheit ausgerichtet ist.

In der anschließenden Diskussion vermißten eineige konkrete Lösungsansätze zur Schaffung dieser „neuen Zivilisation“. Andere machten darauf aufmerksam, daß es für den einzelnen Wissenschaftler fast unmöglich sei zu erkennen, welche Forschungsprojekte sich negativ auf die Menschheit auswirken könnten. Jungk erläuterte, daß die Wissenschaftler erkennen müßten, wie wenig frei sie in ihrer Forschung seien, um daraus die Konsequenzen zu ziehen, sich sinnvollen und überlebenswichtigen Forschungszielen zu widmen. Dabei müßten sie von allen Menschen unterstützt werden, die den Wissenschaftlern immer wieder ihre Verantwortlichkeit vor Augen führen sollten. Das könne der erste Schritt in die neue Gesellschaft sein, in der die Wissenschaft in Harmonie mit der Gesellschaft existiert und nicht von ihr abgehoben ist. Frei nach Robert Jungks Büchern muß die Zukunft also bald beginnen, um die Menschheit vor dem Sturz in die Tiefe zu bewahren. Ob sie dann irgendwann „heller als tausend Sonnen“ strahlt oder ob die Hahnsche Entdeckung diese Konsequenz hat, bleibt abzuwarten.

Achim Lederle

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