: Geschlossene Gesellschaft der Gen-Gläubigen
Benny Härlin, Europa-Parlamentarier und Gen-Kritiker, zum Gen-Kongreß im Hotel Esplanade am Lützowplatz Befürworter tagen hinter verschlossenen Türen / Kritiker sind unerwünscht / Akademie der Wissenschaften als Promoter ■ I N T E R V I E W
taz: Von Sonntag bis Mittwoch trifft sich die Creme der europäischen Gen-Forscher im Hotel Esplanade. Worüber soll diskutiert werden?
Benny Härlin: Diskutiert werden soll über die europäischen Richtlinien zur Freisetzung gentechnisch manipulierter Organismen in die Umwelt und wie sicher das Ganze eigentlich ist. Ich würde nicht sagen, daß sich die Creme der Gentechnik-Forscher trifft. Es sind vielmehr die Leute, die daran ein Interesse haben, solche Organismen freizusetzen, Vertreter der Industrie, der Europäischen Gemeinschaft und verschiedener deutscher Einrichtungen wie der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. Daß ich zu den Teilnehmern gehöre, liegt daran, daß ich dem Europäischen Parlament angehöre sowie dessen Forschungs- und Technologie -Ausschuß. Deshalb kann man mich nicht ausladen.
Folglich bist du nicht eingeladen worden?
Nein, ich bin nicht eingeladen worden. Erst auf Drängen des EG-Ausschusses wurde nur allgemein zugestanden, daß Mitglieder des Ausschusses teilnehmen können. Ich hab‘ mich somit quasi selbst eingeladen.
Was ist das Brisante an dem Workshop?
Das Brisante an dem Workshop ist, daß man zwar einerseits die Sicherheit dieser Freisetzungen diskutieren will, aber andererseits werden von der wissenschaftlichen Seite her nur solche Leute eingeladen, die selber Freisetzungen unternommen haben oder beabsichtigen, dies zu tun. Fast alle der Teilnehmer stehen völlig unkritisch zu den Freisetzungen, und die sollen nun deren Gefährlichkeit beurteilen. Deshalb ist dieser Workshop weniger Wissenschaft als Ideologie. Das halte ich für sehr zweifelhaft. Das ist das gleiche, wie man es seit Jahren von der Reaktorsicherheitskommission her kennt: Die Betreiber kontrollieren sich selbst.
Warum hat die Öffentlichkeit bisher nichts über diesen Workshop erfahren?
Das Ganze findet hinter verschlossenen Türen statt und vor allem unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Mehreren Journalisten wurde sogar der Zutritt verweigert. Man möchte offensichtlich keine kritische Debatte führen, sondern eine Debatte unter Gläubigen.
Warum wurde Berlin als Veranstaltungsort ausgesucht?
Berlin möchte sich ja gern als eines der Gen-Zentren Deutschlands präsentieren. Als Promoter hat da wohl auch die neue, ja sehr umstrittene Akademie der Wissenschaften - die ist zusammen mit dem Bundesministerium für Forschung- und Technologie Veranstalter - fungiert, eben als Vehikel für affirmative Wissenschaftlergespräche.
Was versprichst du dir von dem Workshop?
Ich will mitbekommen, was da geredet wird. Angesichts der Geheimdiplomatie ist das ungeheuer wichtig, daß Leute teilnehmen, die anschließend die Ergebnisse der Öffentlichkeit auf kritische Weise mitteilen können. Deshalb werde ich zusammen mit dem Gen-Ethischen Netzwerk den Workshop durch eine eigene Pressekonferenz ergänzen.
Interview: bim
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