: Umfassende gerichtliche Schritte eingeleitet
Strafanzeige, Auskunftsklage und Schadensersatzklage sind die juristischen Mittel, mit denen die taz auf die Veröffentlichungen des 'Spiegel‘ über die Geheimdienstaktivitäten gegen RedakteurInnen und Zeitung reagiert.
Noch am Wochenende hat die taz Strafanzeige erstattet und Strafantrag stellen lassen gegen die Verantwortlichen im Verfassungsschutz und Senat für die Lauschanfgriffe und den Unterwanderungsversuch gegen die taz. Die taz hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin ersucht, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Verletzung zahlreicher Vorschriften des Strafgesetzbuches einzuleiten. Nach dem 'Spiegel'-Bericht besteht der Verdacht auf Straftaten - der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes durch Amtsträger (§201 StGB), der Verletzung des Briefgeheimnisses (§202 StGB), Ausspähung von Daten (§202a StGB), Verletzung von Privat- und Geschäftsgeheimnissen (§§203, 204 StGB), des Hausfriedensbruchs (§123 StGB) und des Verleitens von Untergebenen zu Straftaten (§357 StGB).
Das Gesetz droht für solche Delikte Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren an. Angesichts der Fülle der im 'Spiegel‘ genannten Taten könnte zu prüfen sein, ob hier nicht sogar eine kriminelle Vereinigung am Werk war (§129 StGB).
Auf die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben wird sich der Verfassungsschutz nicht berufen können, denn daß die gesamte taz mit allen RedakteurInnen und MitarbeiterInnen verfassungswidrigen Bestrebungen dient, wird der Dienst nicht belegen können. Ganz abgesehen davon, daß das Grundrecht der Pressefreiheit durch einen umfassenden Angriff auf ein gesamtes Zeitungsunternehmen ganz zweifellos in seinem Wesensgehalt außer Kraft gesetzt wird.
Die taz hat auch beantragt, daß dieses Verfahren nicht der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft übertragen wird, sondern einem anderen Dezernat. Denn aus der politischen Abteilung kommt der ehemalige Staatsanwalt Möllenbrock, der heute die Dienstaufsicht über den Verfassungsschutz als Staatssekretär des Innensenators führt. Aus dieser Abteilung der Staatsanwaltschaft stammte auch der Oberstaatsanwalt Przytarski, der lange Zeit stellvertretender Chef des Verfassungsschutzes gewesen ist.
Die taz hat auch beantragt, Unterlagen, aus denen sich Einzelheiten über die vorgeworfenen Straftaten ergeben können, sowie die Tatwerkzeuge (zum Beispiel nachrichtendienstliche Mittel, Wanzen undsoweiter) unverzüglich sicherzustellen und zu beschlagnahmen, nachdem bekannt geworden ist, daß in den Räumen Geheimdienstakten weggekommen sind und vernichtet wurden.
Die taz wird darüber hinaus das berliner Verwaltungsgericht anrufen, um den Geheimdienst zur Auskunft darüber zu veranlassen, wer aus und in der taz observiert wurde, wer die Agenten sind, die eingeschleust worden sein sollen, welche nachrichtendienstlichen Mittel wann und wo eingesetzt und angebracht wurden und welche Informationen der Dienst noch heute gespeichert hält. Natürlich will die taz auch wissen, ob und wo noch heute Wanzen und andere Abhöranlangen in den Räumen der taz angebracht sind. Das Rechtsschutzinteresse der taz liegt auf der Hand, denn es ist für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im taz -Unternehmen und mit den Informanten für eine Zeitung überlebenswichtig, daß schnell geklärt wird, wo der Geheimdienst drin war und vor allem, daß er für die Zukunft außen vor ist.
Ohne Redaktionsgeheimnis gibt es keine freie Presse. Die taz wird zunächst dem Innensenator Gelegenheit geben, die Auskünfte freiwillig zu erteilen, und dann, wenn dieser wie sonst immer ablehnt, Klage einreichen. Das Verwaltungsgericht wird auch angerufen, um die Rechtswidrigkeit der ganzen Aktion gerichtlich feststellen zu lassen. Alle juristischen Möglichkeiten zur grundsätzlichen Klärung sollen genutzt werden.
Weiter läßt die taz prüfen, welche Schadensersatzansprüche gegen den Berliner Senat geltend gemacht werden können. Der Schaden, der dem Zeitungsunternehmen materiell und immateriell zugefügt worden ist, läßt sich erst ermessen, wenn der Umfang des Eindringens des Geheimdienstes und seines Wirkens in der Zeitung aufgedeckt sein wird. Grundlage der Amtshaftungsklage wird der vorsätzliche rechtswidrige Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sein und in das Grundrecht auf Pressefreiheit.
Die Schadensersatzklage wird beim Landgericht Berlin eingereicht werden. Den Schaden, der dem Grundrecht der Pressefreiheit in Berlin weit über die taz hinaus zugefügt worden ist, wird kein Gericht festellen und kein Senat wiedergutmachen können.
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