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Verhaftet

■ Doch die vollkommene Rache währte nicht lange

In einer kalten Winternacht im Januar 1986 klingelt das Telefon. Dran war ein ziemlich aufgelöster Thomas. „Stell Dir vor, jetzt haben sie auch noch Franke verhaftete, den Spekulanten Franke. Und er hat sie alle bestochen. Alle!“

Das vorangegangene Jahr war flau gewesen für die „Bewegung“. Die Häuser waren legalisiert oder geräumt, man war dabei, sich mit einer halben Niederlage zwischen abgezogenen Fußböden und aufgestuckten Decken einzurichten. Mit dem, was in den nächsten Monaten folgte, hatte jedoch niemand gerechnet: Plötzlich waren alle verdächtig: Diepgen, Kittelmann, Riebschläger, das ganze Schweinesystem zeigte sich so, wie wir es immer gern entlarvt hätten. Lummer, ausgrechnet Lummer, der als Feldherr in einem geräumten Haus posiert hatte, während Klaus-Jürgen Rattay starb, mußte zurücktreten, Bausenator Franke, der schon während seiner ersten Amtstage bereits unterschriftsreife Verträge platzen ließ, die seinem Vorgänger Rastemborski mühsam abgerungen worden waren, nahm seinen Hut. Die GEWOBAG-Oberen Kreuter und Wichert, die sich so manche Räumung leisteten, saßen genauso in U-Haft wie Antes und Hermann mit ihrer harten bezirklichen Linie gegen Hausbesetzer. „Jetzt sitzen die in Moabit“, amüsierte man sich.

Schackow wurde verhaftet, ebenso wie Blasek, der als Stadt&Land-Geschäftsführer alles räumen ließ. Freudig las man sich am Frühstückstisch das Ermittlungsverfahren der Woche vor, malte sich aus, wie sich Stadträte und Baufürsten auf der schmalen Moabiter Holzpritsche wälzten. Als „verspätete Rache von Hausbesetzer-Compagneros“ bezeichnete CDU-Multifunktionär Landowsky die Berichterstattung über den Bauskandal.

Und es war die Rache und sie schien vollkommen, wenn auch eher vollzogen durch einen „göttlichen“ Fingerzeig denn durch die publizistische und politische Wühlarbeit der Berliner Linken. Damals glaubten alle für Monate an die Gerechtigkeit, zumindest solange, bis sie alle wieder frei waren.

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