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Kulturzentrum in Klavierfabrik gekippt

■ Senat verhindert Kulturzentrum in Kreuzberger Bechstein-Fabrik / Bechstein verkauft nicht an linken Unternehmer / Gewerbepolitische Vorstellungen der Kreuzberger CDU nicht gefährdet / Bezirksbürgermeister Krüger „begrüßte“ das Platzen des Kaufvertrages

Es geht um Kultur und unternehmerische Phantasie. Der Senat hätte folglich von den Plänen der Firma „Wohnwerk“ sehr angetan sein müssen. Deren Geschäftsführer Edgar Stoll, nach eigenen Angaben ein „Reemtsma-Verschnitt“, wollte in Kreuzberg 36 eine Art Kunsthandwerkszentrum schaffen.

Das Bechstein-Gebäude in der Ohlauer Straße 5-11 und der Reichenberger Straße 124 sollte das Zentrum aufnehmen. Die weltberühmten Klavierbauer der Firma Bechstein hatten bereits den Verkaufsvertrag unterschrieben. Ihr bisheriges Domizil, ein Gewerbehof mit insgesamt 19.000 Quadratmeter Fläche, sollte den Besitzer wechseln. Doch gestern morgen trat Bechstein überraschend vom Kaufvertrag zurück verantwortlich für diesen Rückzieher ist der Berliner Senat.

Die „Reaktivierung der alten Bauhaus-Idee“ hatte „Wohnwerk“ sich vorgenommen. Verschiedene Gewerke sollten in der Ohlauer Straße unterkommen und die Basis für ein Mode-, Industrie- und Möbel-Design-Zentrum bilden.

Im Rathaus Kreuzberg, namentlich bei der CDU-Fraktion, regte sich allerdings früh Widerstand gegen das Projekt. „Wohnwerk“ ist nämlich auch stolzer Besitzer des „Hasenkö“, einem Häuserblock zwischen Hasenheide und Körtestraße. Stein des Anstoßes ist dort vor allem das „Blockschock“, dessen Kulturarbeit Bezirksbürgermeister Krüger und seinen Mannen wohl nicht nur zu laut, sondern auch politisch zu unbequem ist.

Die Gefahr, daß in SO36 die gewerbepolitischen Vorstellungen der CDU ein weiteres Mal in Frage gestellt werden, ist jetzt jedoch fürs erste gebannt. Der Kaufvertrag zwischen „Wohnwerk“ und Bechstein sollte gestern wirksam werden. Voraussetzung war, daß bis dahin der Senat die ehemals von der Firma Nixdorf genutzten Gebäude am Moritzplatz an die Pianofabrik verkauft. Genau das ist nicht passiert. Bechstein trat also vom Kaufvertrag zurück, eine saftige Konventionalstrafe ist nun fällig. Nun wird wohl doch der Senat die Fabrik in der Ohlauer Straße kaufen, deren Preis nach Meinung von Edgar Stoll auf mittlerweile 8,5 Millionen geklettert sein dürfte. Beim Finanzsenator schweigt man sich dazu aus, Grundstückskäufe seien „vertraulich“, hieß es gestern auf Anfrage.

Es darf also spekuliert werden, ob womöglich Steuergelder verschwendet werden, um ein ungeliebtes Nutzungskonzept zu verhindern. Bürgermeister Krüger ließ jedenfall über seinen Pressesprecher wissen, daß der Bezirk das Platzen des Kaufvertrages „begrüßt“.

Jochen Siemer

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