„Fernsehdiskussion war mutig“

Fragen und Antworten während einer Pressekonferenz von Lech Walesa  ■ I N T E R V I E W

Klaus Bachmann: Während der Fernsehdiskussion gestern schien es, als habe es zumindest eine kleine Annäherung der Standpunkte gegeben, was ihren Vorschlag betrifft, nach dem Vorbild des DGB zwei Gewerkschaften, vereinigt in einem Betriebsrat, zuzulassen. Sehen Sie da Spielraum für eine Verständigung?

Lech Walesa: Im Grunde geht es darum, daß wir Pluralismus brauchen, ohne irgendwelche Zusätze. Nach welchen Vorbildern wir uns dabei richten, das ist eine andere Frage. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir diesen Pluralismus einführen, aber nicht ob, das steht außer Frage.

Hat diese Fernsehdiskussion in irgendeiner Weise den runden Tisch näher gebracht?

Einstweilen nicht, aber ich muß sagen, wer immer diese Diskussion zugelassen hat, war mutig. Zum ersten Mal findet in Polen so etwas statt. Ich kann es immer noch nicht richtig glauben.

„Wozu haben wir die ganze Zeit Fernsehen und staatliche Medien boykottiert, wenn Walesa die ganze Zeit nur darauf gewartet hat, dort auftreten zu dürfen“, wird Ihnen vorgeworfen.

Das zeugt von Pluralismus, aber unter Umständen auch von Verantwortungslosigkeit. Man kann nicht das ganze Leben über nur boykottieren und sich verweigern. Zum Boykottieren habe ich den Nobelpreis nicht bekommen.

Regierungssprecher Urban hat für die Sejmwahlen im kommenden Jahr eine Reform des Wahlgesetzes angekündigt, dessen künftige Gestaltung auch davon abhängen soll, wie sich die Opposition dazu äußert. Wie äußern Sie sich dazu?

Es ist notwendig, daß sich die Menschen an den Wahlen beteiligen, aber als Subjekte und nicht als Objekte. Ich dachte, man würde das am runden Tisch aushandeln. Bis jetzt gibt es noch kein solches Treffen, auf dem man das besprechen könnte... Wir haben ja auch die Erfahrung gemacht, daß 1980 alle Parteimitglieder auf unserer Seite waren. Die Leute unten entscheiden sich nicht so sehr. Das hat sich ja auch in der Werft gezeigt, als nach der Entscheidung zur Schließung alle zusammengehalten haben.

Klaus Bachmann