: Scherbengericht zur falschen Zeit
■ Bremer Grüne waren gegen Debatte über die Arbeit des Bundesvorstandes / Vorstand fürchtet keine Auswirkungen auf den Bremer Landesverband / Peter Willers ohne EG-Aussichten
Die acht Delegierten der Bremer Grünen, die zur Bundesversammlung nach Karlsruhe gefahren waren, werden mit gemischten Gefühlen aus dem Badischen zurückkehren: Hatte doch die Landesversammlung in Bremen einstimmig dafür votiert, die Auseinandersetzung mit dem Bundesvorstand nicht auf dem Europaparteitag in Karlsuhe, sondern erst auf der nächsten ordentlichen Bundesversammlung im April zu führen.
Und doch: Bei denen, die sich gestern öffentlich äußerten, war das Bedauern über die Abwahl des Bundesvorstandes ein Bedauern über den Zeitpunkt, nicht über die Tatsache selbst. „Der Landesvorstand bewertet den Vertrauensentzug nicht als Niederlage einer politischen Fraktion innerhalb der Grünen, sondern als Quittung für die Unfähigkeit des Bundesvorstandes, die Schlammschlacht zwischen Fundamentalisten und Realpolitikern im Gefolge der Scheinaffaire 'Haus Wittgenstein‘ zu verhindern,“ vermeldeten die beiden Sprecher des Landesvorstandes, Thomas Krämer-Badoni und Günther Warsewa.
Daß sich die nun mögliche Abspaltung der „Fundamentalisten“ auch in Bremen auswirken könnte, fürchtet Krämer-Badoni nicht. „Wir haben hier nicht in solchem Maße ausgeprägte Flügelkämpfe.“ Außerdem sei der Bremer Landesverband eher ein kommunalpolitisch orientierter Verband. Krämer-Badoni hofft, daß sich die „Bitterkeit“ über die Abwahl bei den Fundamentalisten bald legt. „Sonst hat die Partei keine so großen Chancen mehr. Eine Realo-Partei würde bald zu dem, was die Altparteien jetzt sind.“
Eine tiefe Zäsur sieht Ralf Fücks in den Karlsuher Vorgängen, ein „spektakuläres Ereignis, auch bei den alternativen Sitten der Grünen.“ In einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck-Oberdorf wenden sich die beiden Mitinitiatoren der Gruppe Aufbruch gegen „Dolchstoßlegenden“. Das politische Scherbengericht von Karlsruhe sei zwar schmerzlich, jedoch kein Putsch der „Parteirechten“ gegen eine vermeintliche „Linke“. Fücks: „Das ist eine Basisge
schichte gewesen, die vor allem aus den Landesverbänden kam.“
Für Fücks ist die Finanzaffaire um das parteieigene Schloß Wittgenstein nicht die Ursache für den Sturz des Vorstandes. Es sei vielmehr die „unglaubliche Ignoranz, die Art und Weise damit umzugehen“, die die Basis auf die Barrikaden getrieben habe. „Es hat sich soviel aufgebaut, daß eine Konfliktvermeidung nicht mehr möglich war.“
Ob es nun zum endgültigen Bruch bei den Bundes-Grünen kommt, wird nicht zuletzt durch die Arbeit des kommissarisch als Bundesvorstand eingesetzten Bundeshauptausschusses entschieden. Für die Bremer sitzen Ernst Hustädt und Marlotte Christiansen in diesem Gremium.
Auch noch aus einem anderen Grund werden sich die Bremer Grünen über die Karlsruher Bundesversammlung nicht recht freuen können. Der grüne Europabewerber aus Bremen, Peter Willers, fiel beim Kampf auf einen der aussichtsreichen ersten vier Plätze durch.
hbk
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