Mode zwischen Markt und Staat

■ Die „Werkstattschule“ produziert zwar ansehnliche Kleider, doch ihre Umschülerinnen haben kaum Zukunftschancen / Der subventionierte Betrieb darf seine Modelle nicht verkaufen / Der Haken: Staatsknete-Betrieben ist es verboten, die subventionierten Produkte zu verkaufen

An fast allen Kleidungsstücken ist irgendetwas über- oder unterdimensioniert. Hosen tragen riesige aufgesetzte Taschen, weit und spitz ragen die Schultern kurzer Jacken in den Raum. Mäntel haben ganz winzige Krägen oder solche, die aufgestellt bis über die Augen des Mannequins reichen. Und bizarre Dreiecke sind an Hüten befestigt. Dominierend sind Herbst- und Winterfarben: braun, grün, lila, schwarz. Die BesucherInnen, die zur Modenschau in die Kreuzberger Friedrichstraße gekommen sind, klatschen vergnügt. Ein Experte räumt zögernd ein: „Nicht schlecht“.

Zu der halbprivaten Veranstaltung hatte die „Werkstattschule für Mode und Gestaltung“ geladen. Doch ausgelassen ist die Stimmung nur für den Moment. Später, an der kleinen improvisierten Sektbar, herrschen andere Töne vor: Wut, Verbitterung und Zukunftsangst. „Niemals haben wir eine Chance, wenn wir nicht übernommen werden“, sagt eine Frau, die hier zur Schneiderin umgeschult wird. Wie sieht sie die Chance? „Höchstens fünf Prozent.“

16 ehemalige Sozialhilfe-Empfängerinnen werden in der Werkstatt-Schule angelernt; das Geld kommt aus der Sozialbehörde. Zugleich werden acht Umschülerinnen, deren Löhne das Arbeitsamt zahlt, innerhalb von zwei Jahren zu Schneidergesellinnen ausgebildet. Nach ihrer Prüfung, so hatte es die Schulleitung ihnen und dem Arbeitsamt versichert, sollen sie ein weiteres Jahr zu Tariflöhnen weiterbeschäftigt werden. Denn ohne Praxis haben sie auf dem umkämpften Arbeitsmarkt keine Chance.

Da sind sich auch die Schulleiterinnen Edna Schmidt und Sibylle Gallrein sicher. Sie wollen sich mit einem überaus riskanten Modell auf eigene finanzielle Füße stellen. So sollen die 16 Frauen, die angelernt werden, produzieren, um mit dem Erlös zumindest in der Anfangszeit die Löhne für die acht bezahlen zu können.

Doch auf dem gleichfalls knallharten Modemarkt hätte die Werkstattschule nur eine Chance, wenn ihre Modelle eingeführt wären, Kontakte zu Boutiquen und Einkäufern bestünden. Die aber sind weit und breit nicht zu sehen und dürfen es auch gar nicht: Den Staatsknete-Betrieben ist es verboten, ihre hoch- oder vollständig subventionierten Produkte zu verkaufen.

Edna Schmidt, selbst Schneidermeisterin und früher Leiterin eines großen Ateliers, setzt aber zum einen auf den Senat, der den Verkauf erlauben soll, aber auch auf die Ausbildung der insgesamt 24 Frauen. Die soll zu Marktbedingungen stattfinden, damit der Betrieb überhaupt eine Chance hat.

Die Folgen zeigen sich prompt. War den Umschülerinnen im anfänglichen „Projektentwurf“ Mitsprache, kreatives Arbeiten und vor allem das wichtige Praxis-Jahr versprochen worden, führten mehrere plötzliche Kündigungen, das Zurückhalten von Informationen und ein undurchsichtiger Ausbildungsplan zu einer Explosion des Mißtrauens gegenüber den beiden Leiterinnen.

„Das sind alles Erwachsene, und die haben Schwierigkeiten, sich was sagen zu lassen“, meint Edna Schmidt dazu und bedauert zugleich, daß das Arbeiten im Kollektiv zu unproduktiv gewesen wäre. Kontert eine Umschülerin: „Hätte ich das gewußt, hätte ich hier nie angefangen. Mit Speck fängt man Mäuse.“

diba