: Dicke Luft in Dublin
Smog in der irischen Hauptstadt / Schadstoffwerte fünf Tage lang über dem zulässigen EG-Höchstwert / Atemschutzmasken haben Konjunktur / Hauptverursacher: private Haushalte ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Das große Eingangstor der Dubliner Universität „Trinity College“ liegt im Zwielicht. Von dem Glockenturm im Innenhof sind die Umrisse nur undeutlich zu erkennen. Es ist zwölf Uhr mittags. Für die trübe Beleuchtung ist jedoch keine Sonnenfinsternis verantwortlich, sondern es herrscht Smog in der irischen Hauptstadt. Und das bereits den dritten Tag. Heute ist es jedoch besonders arg. Selbst bei Rauchern verursacht das Atmen unter „freiem“ Himmel Übelkeit.
Ein Straßenhändler hat sich mit seinem Bauchladen direkt vor dem Eingang des „Trinity Colleges“ postiert und verkauft Smog-Masken: kleine weiße Plastikschalen, die mit einem Gummiband vor Mund und Nase befestigt werden. Da die Masken nur etwas mehr als eine Mark kosten, greifen viele StudentInnen zu. Auch in der Innenstadt sind fast alle Menschen maskiert. Wer keine Smog-Maske hat, wickelt sich einen Schal um den Kopf. Doch der beißende Gestank durchdringt alle Schutzvorrichtungen.
Erst mit vier Tagen Verspätung gibt die irische Regierung die Meßwerte bekannt: Sie sind schlimmer als befürchtet. Bei allen sieben Dubliner Meßstationen lagen die Ergebnisse fünf Tage lang weit über dem von der EG zugelassenen Höchstwert 250 Mikrogramm Schadstoffe pro Kubikmeter Luft. Im Arbeiterviertel Crumlin betrug der Tagesdurchschnitt gar das Siebenfache des EG-Höchstwerts. Nach Vorschrift der EG muß ein Land der EG-Kommission Mitteilung machen, wenn der zulässige Höchstwert innerhalb eines Jahres an acht Tagen überschritten wird. In Dublin war das bereits drei Wochen nach Beginn der Heizperiode der Fall.
Luke Clancy, Arzt am St.James's Hospital, stellte einen drastischen Anstieg der Krankenhaus-Einlieferungen von Menschen mit Asthma und Bronchialerkrankungen fest.
Hauptverursacher des Smogs sind die Haushalte. In Irland wird überwiegend mit bituminöser Kohle in offenen Kaminen geheizt. Da die Schadstoff-freie Kohle mit einer Mehrwertsteuer von zehn Prozent belegt wurde, ist sie teurer als normale Kohle. Freiwilliges Umsteigen wurde damit bisher verhindert. Die Regierung hat lediglich ein engumgrenztes Wohngebiet zur „rauchfreien Zone“ mit Steuerermäßigungen für die Spezial-Kohle erklärt. Selbst dieses Pilotprojekt wurde wegen des Einspruchs der starken Kohlenhändler-Lobby um sechs Monate verschoben.
In der Smog-Zeit macht Brian mit seinem Bauchladen das Geschäft seines Lebens. Er hat seine Atemmaske zur Seite geschoben und raucht eine Zigarette. „Ich weiß nicht, ob die Masken was nützen“, sagt er. „Aber die Leute reißen sie mir förmlich aus der Hand.“ Nach fünf Tagen ist das Geschäft vorbei, ein frischer Seewind weht den Smog davon. Dublin atmet auf - bis zur nächsten Windstille.
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