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Der Kuss des Tigers

■ Ein Film, der einfach nicht aufhört: Petra Hafftners (Post-Costa-Gavras)-Verfilmung von Francis Ryck

Einer von den Filmen, bei denen man sich mühsam aus dem Kino -Sessel schälen muß (nach 104 Minuten), in die Jacke kriecht, sich im Schal verheddert, Wieso-hat-er-war-das -nee-gutes-Ende? krausdenkt, auf den Teppichboden des Schauburg-Vorraums tappt und sich mehrfach sagen muß: „Du bist in Bremen. Das hier ist die Schauburg. Die Menschen da drüben sind der Herr Doktor vom Weserkurier, jemand vom Kino und das da, das ist die Regisseurin. Nette Menschen. Ganz friedlich. Kann man sich ruhig dazusetzen.“ Ein schöner Film also. Einer, der nicht gleich losläßt, dessen Pastellfarben aus Mord-im-Herbst-Paris und französischer Atlantikküste gelbgraupastellig über dem Rest des Tages hängen. Sinnlich traurerfrohes Herbstlaub im Kopf.

Im Herbstlaub nämlich beginnt es. Nicht irgendein Landei und-Provinzgarten-Blätterhaufen, sondern Baumblatt-Tod in den Pariser Tuilerien. Herbst zu Milchkaffee mit Croissant und Michele liebt Peter. Gleich und sofort, zum ersten Hingucken. Michele (zartgesichtige Vollmund-Kindfrau Beate Jensen aus Dörris „Mitten ins Herz“, diesmal aber nicht mit Blauhaar sondern New-Wave-Prinz-Einsenherz-Frisur und himmelblauem Mohairpulli) ist Au-pair-Mädchen aus Deutschland, die Viel-lieber-als-Mama-Ersatzfrau für eine Tiger-Rucksack tragendes Kleinkind. Peter (schwarzhaarschön: Stephane Ferrara) ist aus Kanada. Der mordet gleich zum Vorspann, zwischen blutrot eingeblendeten Stab-und Besetzungsmitgliedern: ein hübscher Tigermann, der seine Mausfrau totspielt, bevor er sie richtig kaputtmacht, der bei Angst gern zuschaut und einfach glaubt, die Frauen besonders glücklich zu machen, indem er den letzten Augenblick ihres Lebens zum intensivsten macht, sagt Ferrara.

Stephane Ferrara war Europameister im Mittelgewicht. Er wurde von einem ehemaligen Box-Kollegen, Herrn Jean Paul Belmondo, mitten im Boxring entdeckt, mit kleineren Rollen in „As der Asse“ und „Der Außenseiter“ versehen. Stephane Ferrara „ist der Mann, den ich für Beate gesucht hatte“, sagt Petra Hafftner. Ein Herumreisen mit Beate-Jensen -Bildern. Der Tigermann für Beate aber ist Kino-Star. Er bekommt die gewerkschaftlich festgelegte Stargage von 500.000 Mark für den Kuß. „Drehen in Frankreich ist viel

teurer“, so Hafftner. „Der Film hat 2,5 Millionen Mark gekostet. Allein für die Rechte an dem Serie-noire-Thriller Voulez-vous mourir avec moi? von Francis Ryck haben wir 160.000 gezahlt. In Deutschland wären wir mit gut 1 Million ausgekommen.“

In Deutschland aber gibt es solch putzige Filmschaffende wie jenen Berliner Produzenten, der zum Tigerkuß vorschlug: „Paris machen wir im Studio, für das Meer nehmen wir den Wannsee.“ Petra Hafftner aber (in Cuxhaven geboren, hat in Berlin Publizistik, Theaterwissenschaften und Politik studiert, lange in Bremen gewohnt und hier auch ihren ersten von ganz vielen Dokumentarfilmen gedreht: „Alles hat hier seinen Preis“ Über die Steintor-Barfrauen) wollte lieber den original Serie-Noire-Pastellfarben-Mythos Frankreich. Das ist gut so. Es greift ans Herz. Und daß die Balancieren-auf-Hochhaus -Baustelle-Szene an acht verschiedenen Orten gedreht wurde, sieht im Film kein Mensch mehr.

Der Film: Michele liebt Peter. „Du weißt natürlich, daß ich Dich töten werde“, sagt Peter. Michele weiß. Ein liebessüchtiges Katz-und Maus-Spiel zwischen einem kranken Romeo und einer Grenzgänger-Julia, die einfach keine Angst hat. Da bricht allgemeines Zärteln, Mord-und Liebeslust aus (sie versuchen es zur Abwechselung auch mal mit einer Mann -Maus) und per Hackebeil irgendwann alles auseinander. Nein, mehr wird nicht verraten. Streichelschlagen und Rohrstangen -Kungfu. Verheddert Euch doch selbst in Euren Schals.

Petra Höfer

Tägl. in der Schauburg, 23 h

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