: FICKTIONEN & SAFER CULTURE
■ „Die Geschichte der Don Quixote“ und Kathy Acker im Ex & Pop
Don Quixote which was a dream ist der amerikanische Titel von Kathy Ackers Buch, das als Die Geschichte der Don Quixote mit dem Untertitel Ein Traum gerade übersetzt worden ist. Der deutsche Titel trifft natürlich nicht die der-die-das-Gestalt, das Metamorphosenwesen von Kathy Ackers Don Quixote, der, die oder das Frau, Mann, Sprechblase oder Hund sein kann: die sprach-, grammatik- und gewohnheitensprengende Freiheit der Träume. Schwierig deshalb, diese unaufhörliche Traumspule wieder in Sprachordnungen zurück zu übersetzen, und schwierig besonders, das in einer Zeit zu tun, in der Sprachphantasien gegen die neuen Sprachordnungen rennen und sich in Sprechblasen zu verwandeln drohen.
Wenn dann aus dem Sprachwirbel der Geschichte der Don Quixote Sätze hervorstechen wie: „Nicht ein Marxist zu sein, sondern Geld zu haben, huldigt der Humanität, und so ist's recht“, dann verstehen sie sich ganz von selbst als Kommentare zum laufenden Zeitgeist, und Kathy Acker erscheint als seine Ent-Zauberin, die ohne große Seht-her -Gesten den Wandel& Handel der Gegenwart protokolliert, in der neuerdings ständig darüber entschieden wird, wer und was der Humanität huldigt und wie das nun richtige Worte, die richtige Haltung, das richtige Geld - die täglichen Tauschmittel der Humanität - zu tun haben. Aber Kathy Ackers Sprache läßt sich nicht als billiges Tauschmittel für Humanitäten konsumieren, denn in ihr tönen Zynismen über die Zeitläufte mit und stören den common sense.
Die Träume huschen in Kathy Ackers Buch schnell und entfesselt dahin, und ihre Traum-Don Quixote jagt einem einzigen Defizit hinterher: dem Mangel an Liebe. Sie bohrt sich, ganz der vulga entsprechend, ins Liebesloch der Zeit, eine Ritterin des 20. Jahrhundert-Endes, die mit der Suche nach Liebe eine ganze Hoffnungsflucht öffnet: auf die Rettung ihrer Weiblichkeit, die Rettung Amerikas und die Rettung der Welt: „Jenseits des Lochs zwischen meinen Beinen, wo das Fleisch zerrissen, verdreht und zerschmettert ist, im Inneren von diesem roten Matsch und Mist, liegt eine Frau. Hierher wagt sich niemand vor.“ Das ist tückisch doppeldeutig wie alles in der Sprache. Denn da Don Quixote „niemand“ ist, wagt sie sich dann doch bis hierher vor, und die Rettungen sollen nicht aus irgendeinem Geist, sondern aus dem Leib kommen.
Ihr Vorreiter, der Mann von La Mancha, war schon ein grotesker Fiktionär, der auf seinem Klepper - den weltklugen Sancho Pansa auf dem Maulesel hinter sich - den Idealen und Gespinsten der Ritterromane hinterhertrabte. Seine Nachfahrin - „night-knight“ heißt sie bei Kathy Acker verwandelt jedoch, obszön, wie nun einmal die Nachtseite von Kopf (ein) bildungen ist, die Fiktionen des 16. Jahrhunderts in Ficktionen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Vor allem aber ist die Bewegungsweise der Don Quixote nicht mehr schleppender Trab durch Halluzinationen, sondern der Amoklauf durch die postmodern ineinander verrückte Welt. Sie ist aus nichts als alten Geschichten montiert, einem Haufen alter Geschichten, die immer nur wiedererzählt, variiert, neu kombiniert, entstellt und ironisiert werden können.
„Die Führer der Araber sind Lügner; Lügen ist Teil der arabischen Kultur, auf die gleiche Weise, wie Wahrheiten -Erzählen und ehrliche Rede etwas Amerikanisches sind. Anders als amerikanische und westliche Kultur (im allgemeinen) haben die Araber (in ihrer Kultur) keine (Konzeption von) Originalität. Das heißt, Kultur. Sie schreiben neue Geschichten, malen neue Bilder et cetera, indem sie einfach alte Geschichten, Bilder... Ausschmücken. Sie schreiben, indem sie Stücke aus vor-gefertigten Texten herausschneiden und auf andere Weise Traditionen entstellen: sie verwandeln wichtige Namen in alberne, reißen dreckige Witze über Sachen, die für uns von äußerster Wichhtigkeit sein sollten, wie etwa die atomare Kriegsführung.“
Als postmoderne Araberin rast Kathy Acker in der Wirrwarrwelt von Geschichtsfetzen, Politschablonen und Bedeutungsfragmenten durch die Simultaneitäten. Ödipus, Mr. und Mrs. Nixon, Wedekinds Lulu, die Quäker und Kolonisatoren der Neuen Welt, Der Todesengel und Cervantes‘ Don Quichote: das alles wird umerzählt mit dem Trieb, diese Texte der Männerwelt, außer denen es keine gibt, beim Erzählen geschlechtsumzuwandeln, wie es mit Don Quichote selbst der Fall ist. Den Wahnsinn der Gummiarabikum-Gegenwart, zusammengeklebt aus den Trümmern von Jahrhunderten, holt der Wahnsinnslauf arabischer Sprachwut ein: beschaulich an keiner Stelle, sondern quälend und larmoyant und destruktiv, eben so, wie es neuerdings der Nachwuchs von Staats- und Kulturträgern nicht mehr dulden will.
Umgekehrt dulden dann die Katakombenartisten ungern die Abgesandten der Oberwelt, und dem neusauberen Journalismus wird beschieden: „Wir mögen Euch hier nicht.“ Die Lesung Kathy Ackers im „Ex& Pop“ war merkwürdig leblos. Doch für das Ereignis dieses letzten November-Montagabends keine schlimmen Worte zu finden, fällt nicht leicht. Das „Ex& Pop“ ist eine kahle Kammer, und dort war es sozusagen voll. Umfallende Leiber sind völlig unvorstellbar, aber der Überlebenkampf blockiert ohnehin das Zuhören. „It's not very comfortable here“, sagte Kathy Acker, und: „No space for dreams.“ Sie machte die Sache kurz und schmerzlos, irgendeine Erzählung, nach ihrem letzten Berlinbesuch geschrieben, zu der nicht viel zu sagen ist, aber trotzdem hatte die knappe halbe Stunde etwas von einem häretischen Kult, fucking-asshole-Libidolitaneien, vor andachtsvoll -verzückten Gläubigen von einer Priesterin gebetet, die hin und wieder Lachschauer durch die Leiber laufen ließ, etwa als der Satz fiel „Dead cops can't fuck“, und mitten im Lachschauern fragte schon unser innerer Hartung stirnrunzelnd und warnend: was eigentlich wissen wir von lebenden cops? Kaum war die halbe Kultstunde beendet, sickerten im „Ex& Pop“ heftige Töne aus den Lautsprechern, das Wortgeraune war wie ein Spuk ausgelöscht und die Leibermassen krümmten sich wieder um die Stelle, wo es den flüssigen Trost in Flaschen gibt.
RitterInnen mögen von trauriger Gestalt sein, die ihre Körper ins große Weltgemenge werfen, um fickend & phantasierend sich selbst, Amerika und eben diese Welt zu erlösen, was auch Post-Punk-Feminismus-Rittersleuten nicht gelingen wird. Aber es gibt traurige Gestalten, die immer noch bessere Figur machen als die InhaberInnen des richtigsten Wortes zu jeder Gelegenheit. Kathy Ackers Phantasiekombinationen stellen die Gewohnheiten auf jene Köpfe, die sie so oft der Phantasie auf die Füße stellen. „Ich denke, Prince sollte Präsident der Vereinigten Staaten werden, denn all unsere Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg sind sowieso blöd gewesen und werden immer blöder bis zum Hirnschaden. (...) Der Prince hat keine Moral. Warum? Weil die Moral wesentlicher Bestandteil einer Regierung ist, die zum Teil vermittels sogenannter 'Habe -Nichtse‘, den Deckmäntelchen für die Bourgeoisie, funktioniert (via Kultur), das heißt durch die totale Kontrolle der 'Habenden‘. Moralität und 'Kultur‘ sind ähnliche Werkzeuge. Die einzige Art von Kultur, die je Ärger macht, ist amoralisch.“ That's it, Kathy.
Uwe Pralle
Kathy Acker, Die Geschichte der Don Quixote - ein Traum. P.S. Verlag Peter Selenka, 26 Mark.
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