piwik no script img

Mit der Brechstange gegen Sandkörner

Rückspiel im UEFA-Pokal: 1. FC Köln - Real Sociedad San Sebastian 2:2 (Hinspiel: 0:1) / Köln ausgeschieden  ■  Aus Köln Bernd Müllender

Nachher, das kühle Kölsch fest umklammert, im Prominentenstübchen unter der Müngersdorfer Betonschüssel wußten es drei Fahrensmänner des deutschen Fußballs allemal besser. Udo Lattek, der Mann von Welt bei 'Bild‘, bekannte, Real San Sebastian zeitweise „gar nicht gesehen“ zu haben. So überlegen sei der FC vor allem in der ersten Halbzeit zur Tat geschritten. Da sei doch der Zamora, „ein Alter, aber ganz Großer, weniger gelaufen als ein Torwart“. Doch dann der „bittere Schlag“, der halt „sehr hart“ war für seine ehemals technisch Dirigierten, plötzlich der „Sand im Getriebe“.

Gemeint waren zwei Körnchen der gleichen Art. Ihr Name: Elfmeter. Der für die Basken war drin, der für Köln kläglich vergeben. Wer hätte denn statt des Versagers Allofs schießen sollen? Jeder der drei hatte seinen Konjunktiv parat, auch Günter Netzer, auch Hennes Löhr, Nachwuchstrainer und noch im Glanze seines Schauspielerdebüts bei den „Eurocops“ (natürlich als Fußballtrainer). Bald besinnt man sich auf die goldenen Tage der Vergangenheit. Ob nicht auch der Beckenbauer ein genialer Elfmeterexekutor gewesen sei? Da ergreift Günter Netzer das Wort: „Bei uns damals“ habe der Franz einmal einen geschossen, „und sich dabei einen Adduktorenabriß zugezogen“. Und der geniale Blonde mit dem großen Schuh wiehert dröhnend in die Tiefe des Raumes, „einen Abriß, müßt ihr euch mal vorstellen, acht Wochen Verletzungspause.“ - „War er denn drin?“ fragt der Udo. „Nein, nicht mal das“, prustet der Günter, und der Hennes bestellt die nächste Runde.

Weniger gute Laune hatten die 38.000 zur gleichen Zeit im Verkehrsstau. Sie hatten einen FC erlebt, der das 0:1 aus dem Hinspiel schon nach drei Minuten durch Götz aufgeholt hatte. Der sich, allen voran wieder einmal der übberragende Häßler, viele schöne Chancen erspielte und durch Engels nach Fehler des einstmals als Wundertorwart gepriesenen Arconada das 2:0 erzielte. Ein FC, der die unterdrückten Basken zu erdrücken schien. Der dann aber kollektiv blackoutete: Abseitsfalle klemmt, Torwart Illgner klärt weit vor dem Tor per Kopf, Engels köpft dämlich zurück, Zuniga frei, Illgner foult, Elfmeter, Tor. 2:1, nach Europacup-Arithmetik also Aus für Köln.

Die restlichen 55 Minuten galten dem Versuch, dieses Sandkorn mit der Brechstange zu zertrümmern. Pfiffe der Enttäuschung, Stöhnen, Kopfschütteln begleiteten die Kölner Hilflosigkeit und steigerten sich in Entsetzen, als die Anzeigetafel im Dreiminutentakt die Bayern-Tore in Mailand verkündete. 0:1, 0:2, 0:3, sensationell und gleichzeitig symptomatisch: die Münchner schaffen's mal wieder und wir nicht.

Das Foulelfmetergeschenk paßte da nur. Allofs läuft schon an, da zündet ein Fan einen donnernden Böller, Arconada weiß aus der bisweilen umkämpften Heimat um besonders geforderte Aufmerksamkeit bei Explosionen - und hält. Einer der vielen flotten Real-Konter bringt schließlich in der 93. Minute den Ausgleich. „Vorne wie die Götter, hinten wie die Affen“, hatte ein Boulevard-Kollege expressis verbis zwischendurch fachgekundelt.

Christoph Daum, der Nachwuchstrainer, wußte warum. „Wegen der Schlüsselszenen“, wie er die Sandkörner nannte. Warum Allofs geschossen habe? „Zuletzt hat der Pierre Littbarski einen Elfmeter verschossen, jetzt war halt der Allofs mit Vergeben dran.“ Immerhin hat sich der zumindest keinen Adduktorenabriß zugezogen.

KÖLN: Illgner - Steiner (73. Schlipper) - Hönerbach, Kohler

-Povlsen, Littbarski, Häßler, Engels, Görtz - Allofs, Götz (46. Sturm)

SAN SEBASTIAN: Arconada - Larranaga - Gorriz, Gajate Zuniga, Bakero, Iturrino (75. Fuentes), Zamora, Bengoechea Loren, Goicoechea (52. Mujika)

TORE: 1:0 Götz (4.), 2:0 Engels (28.), 2:1 Goicoechea (35.), 2:2 Fuentes (93.)

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen