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Erpressung mit Heß-Nachlaß

■ Zwei Männer drohten, Nachlaß von Rudolf Heß zu verkaufen / Haftbefehle wegen Erpressung / Britischer Ex-Wachmann gibt an, den Nachlaß in einer Zelle des Kriegsverbrechergefängnisses gefunden zu haben / Unklar ist, ob die Gegenstände jemals vermißt wurden

Mit Gegenständen aus dem Nachlaß von Rudolf Heß versuchten offenbar zwei Briten, den Sohn des früheren Hitler -Stellvertreters zu erpressen. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht erließ am Sonntag zwei Haftbefehle wegen gemeinschaftlicher Erpressung und in einem Falle zusätzlich wegen Unterschlagung. Die beiden Männer befinden sich jetzt in Untersuchungshaft.

Seit Mitte Oktober haben sich nach Angaben von Justizpressesprecher Christoffel bei Wolf Rüdiger Heß mehrmals Unbekannte gemeldet und behauptet, sie hätten Uniformen, Fliegermützen, Uhren und andere Gegenstände aus dem Nachlaß seines Vaters. Wenn er sie nicht für 150.000 Pfund erstehe, werde man sie für mehr Geld auf dem amerikanischen Sammlermarkt verscherbeln. Heß junior hatte sich an die Alliierten gewandt, die Ende November die Berliner Justizbehörden verständigten. Zum Beweis dafür, daß die beiden Männer wirklich Gegenstände seines Vaters hatten, ließ sich Heß ein Foto mit einer aktuellen Tageszeitung schicken. Bei einer fingierten Geldübergabe in einem Hamburger Hotel wurden die beiden Briten festgenommen und die Sachen sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft hegt keinen Zweifel an der Echtheit der Gegenstände.

Einer der beiden hatte bis nach dem Tod von Rudolf Heß als Wachmann im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis gearbeitet und lebt seitdem wieder in England. Die Erpressung hatte er mit seinem in Berlin lebenden Schwager ausgeheckt. Der Ex -Wachmann behauptet, die Heß-Gegenstände in einer Zelle gefunden zu haben. Die Uniformhose will er unter seiner Kleidung getragen und die restlichen Gegenstände herausgeschmuggelt haben. Unklar ist, ob der Nachlaß überhaupt dem Heß-Sohn gehört. Er hat nun Anspruch auf die Habe seines Vaters erhoben. Nicht klar ist außerdem, ob die Gegenstände überhaupt jemals vermißt wurden.

Als der „Gefangene Nr.7“ nach 41 Jahren im Kriegsverbrechergefängnis nach einem Selbstmordversuch starb, hatte es Kritik an der Informationspolitik der Alliierten gegeben. Sowohl die Tatsache, daß er einen Selbsttötungsversuch unternommen hatte, als auch ein Brief an die Familie, in der er seine Absicht angekündigt hatte, waren einige Zeit lang verheimlicht worden. Besonders bei der rechten Presse hatte dies Anlaß zu wilden Spekulationen gegeben, die von den öffentlich geäußerten Zweifeln des Sohnes an dem Selbstmord seines 93jährigen Vaters geschürt wurden. Heß starb am 17. August 1987. Das Gefängnis wurde umgehend abgerissen.

RiHe

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