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Prozeß gegen Ingrid Strobl ab Ende Januar

Journalistin seit einem Jahr quasi in Beugehaft / BKA fahndet weiter nach RZ / Weiterhin werden vier Verdächtige gesucht / Ordnungsgelder gegen schweigsame ZeugInnen / „Anschlagsrelevante Themen“ sind seit dem 18. Dezember 87 beliebt wie nie  ■  Aus Essen Rita Schnell

Der Prozeß gegen Ingrid Strobl wird vermutlich Ende Januar oder Anfang Februar vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf beginnen. Dies teilte die Anwältin Edith Lunnebach im Essener Genarchiv mit. Für die Dauer des Prozesses werde ihre Mandantin Anfang Januar von der Haftanstalt München-Neudeck nach Essen verlegt.

Die frühere 'Emma'-Mitarbeiterin sitzt jetzt seit genau einem Jahr in Untersuchungshaft. Der Vorwurf nach Paragraph 129a lautet auf Mitgliedschaft in revolutionären Zellen (RZ). Die Österreicherin soll den Wecker gekauft haben, der bei einem RZ-Anschlag auf das Gebäude der Lufthansa in Köln als Zünder gedient hat.

In ihrer Einlassung am 25.August bestritt sie auch gar nicht, diesen Wecker gekauft zu haben. Es sei eine Gefälligkeit für einen Freund gewesen. Dessen Namen wolle sie allerdings nicht nennen, um ihn vor Repressionen zu bewahren. „Da ich diese Auskunft verweigere“, so Ingrid Strobl, „befinde ich mich in einer Art Beugehaft.“

Wie fadenscheinig die Beweise in solchen Verfahren sind, zeigt die Tatsache, daß Ulla Penselin nach neunmonatiger Untersuchungshaft im August freigelassen werden mußte. Sie hatte die gegen sie erhobenen Vorwürfe widerlegen können. Die angeblichen konspirativen Treffen der „Roten Zora“, an denen sie teilgenommen habensoll, entpuppten sich als Redaktionskonferenz der Zeitschrift 'E.coli-bri‘. Vier Personen allerdings werden nach den Hausdurchsuchungen und Verhaftungen vom letzten Dezember nach wie vor mit Haftbefehl gesucht. Ihre Vorwürfe versuchte die Bundesanwaltschaft im September durch großzügig verschickte Vorladungen an „Kontaktpersonen“ der Verdächtigen zu erhärten. In Hamburg wurden acht, im Ruhrgebiet 15 Zeuginnen geladen. Wegen ihrer Verwandtschaft mit Ingrid Strobl, aber auch ohne Begründung verweigerten sie die Auskunft. Das Schweigen „ohne Grund“ wurde von der Bundesanwaltschaft mit Ordnungsgeldern bis zu 400 Mark geahndet. Zugleich drohte sie eine erneute Befragung - diesmal in Karlsruhe - an.

Auf der Suche nach weiteren Beweismaterial wurde vor zwei Wochen eine Frauenwohngemeinschaft in Bochum durchsucht. Die Ermittler interessierten sich für den Aufenthaltsort eines mutmaßlichen RZ-Unterstützers aus Köln, hieß es. Zwei der Frauen wurden als Zeuginnen geladen. Da sie ebenfalls die Aussage verweigerten, wurden Ordnungsgelder von 400 und 900 Mark verhängt.

Zumindest einen positiven Effekt hat das Vorgehen der Ermittlungsbehörden nach Ansicht der von den Kriminalisierungsversuchen betroffenen Mitarbeiterinnen des Essener Genarchivs: Der Widerstand gegend die Gen- und Reproduktionstechnologien hat sich seit dem Polizeieinsatz vom 18.12.87 verbreitert. Der Versuch, Berührungsängste mit diesem „anschlagsrelevanten Thema“ zu schaffen, ist nach hinten losgegangen: Im vergangenen Jahr waren Vorträge des Genarchivs gefragt wie nie zuvor.

Über die inkriminierten Themen wie über den Prozeßverlauf wird auch ein Bulletin informieren, das während der Hauptverhandlung wöchentlich erscheinen soll. Für das Info -Blatt wird ein größerer Herausgeberkreis verantwortlich zeichnen.

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