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Heißer Januar an den Unis

Trotz Weihnachtspause prognostizieren StudentInnen aller Orten: 1989 geht's erst richtig los / Zwischen den Jahren bleiben viele Institute besetzt / An einigen Unis Kontroversen zwischen Asta und BesetzerInnen  ■  Von unseren Korrespondenten

Berlin (taz) - Wo immer man kurz vor Weihnachten an den Universitäten herumfragt, hört man Berichte von überraschenden Aktionen, überfüllten VVs und Fachbereichssitzungen. In einigen Städten, wie Freiburg zum Beispiel, bröckelt zwar die Streikfront kurz vor Weihnachten. Doch an anderen Universitäten wie Heidelberg, Münster oder München kommen die Studenten nach eigenen Aussagen „erst jetzt so richtig in die Startlöcher“.

Fast in sämtlichen Unis sind für Anfang Januar Vollversammlungen angesetzt, auf denen in erster Linie über künftige Streiks entschieden werden soll. Denn trotz einer überraschend großen Mobilisierung und Politisierung innerhalb der Studentenschaft, trotz großem Spaß und neuen Lernprozessen - in bezug auf ihre konkreten Forderungen haben die StudentInnen noch nichts erreicht.

In Berlin werden die StudentInnen auch über Weihnachten die Institute besetzt halten. In den Hörsälen finden neben studentischen Weihnachtsfeiern und Silvesterfeten Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen statt. Im Januar soll an allen neun Hoch- und Fachhochschulen über eine Weiterführung des Streiks entschieden werden. Vom 6. bis 9. Januar soll dann in Berlin ein internationaler StudentInnenkongreß stattfinden (s.Bericht S.5).

In München sind die drei größten Fachbereiche der Technischen Universität - „angeturnt“ durch ein Video über die „Befreite Universität Berlin“ - seit Dienstag im Streik. Ob sich auch die bisher recht zurückhaltenden StudentInnen der Maximilian-Universität anschließen, wird sich am 12. Januar auf einer Vollversammlung entscheiden. In Kiel wird die besetzte philosophische Fakultät auch über Weihnachten in StudentInnen-Hand bleiben. Eine Kontroverse gibt es dort zwischen Streikrat und dem Asta, der für gestern Ministerin Eva Rühmkorf zum Gespräch eingeladen hatte, während der Streikrat meint, vor einem solchen Treffen sollten die inhaltlichen Forderungen klarer definiert werden.

Auch in Heidelberg soll im Januar eine Urabstimmung entscheiden, ob sich andere Fachbereiche den bisher streikenden „Theologen“ anschließen. Nach einer mit 5.000 Leuten ungewöhnlich großen Demonstration am Dienstag ist die Prognose für „verschärfte Aktionen“ im neuen Jahr gut. Wie auch in anderen Städten haben sich in Heidelberg inzwischen zahlreiche Professoren den Forderungen der „Studis“ angeschlossen. Die Gießener StudentInnen haben ihren Streik bis zur nächsten Uni-VV am 10.1.89 zwar ausgesetzt, jedoch ausdrücklich nicht abgebrochen.

Trotz etwas Weihnachtsflaute wollen in Freiburg die Fachschaften über die Feiertage weiter an neuen Konzepten arbeiten. Der Rektor der Freiburger Uni, Rüchardt, hat in einer ersten Stellungnahme zwar im wesentlichen die materiellen Forderungen der „Freiburger Resolution“ unterstützt. Die geforderte Drittelparität und die Quotierung bei Stellenbesetzungen lehnte Rüchardt jedoch ab.

In Bremen sind seit Anfang der Woche Warnstreik- und Aktionstage ausgerufen. Auf einer gut besuchten Vollversammlung hieß die Devise am Montag: Nach der Weihnachtspause beginnt der „offizielle“ Streik, und bis dahin sollen die Aktionen nicht nur kräftig inhaltlich vorbereitet werden. Es wird auch gefeiert: In einem noch unbekannten, doch unbedingt zu besetzenden leerstehenden Haus wird eine Weihnachtsfete geplant.

Den Zugang zur Mensa verwehrte der Präsident der Frankfurter Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität gestern den StudentInnen. Sie wollten, wie von ihm Anfang Dezember zugesichert, in den Räumen die Ergebnisse ihrer 40 Arbeitsgruppen zur Situation an den Universitäten und Hochschulen vorstellen. Laut Pressemitteilung des Zentralen Fachschaftsrates (ZFR) kamen sie nicht in die leeren Räume, die auf Anordnung des persönlichen Referenten Rings, Willim, versperrt worden sein sollen. Auch der Asta der Uni hatte den ZFR bereits mit Ende des Streiks ausgesperrt. Die StudentInnen kündigten auch für 1989 Aktionstage an.

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