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Bei Tritium klingeln die Alarmglocken

Nach Auskunft der Hanauer Staatsanwaltschaft haben die beiden leitenden Angestellten der NTG vor allem an Pakistan, aber auch nach Indien und Südafrika eine ganze Palette „sensibler“ Stoffe und Technologien geliefert. Welche Relevanz haben nun die einzelnen Komponenten für die militärische Nutzung zum Bau von Atomwaffen?

Der brisanteste Stoff in der Liste der Hanauer Staatsanwaltschaft (siehe Dokumentation) ist Tritium. Hier klingeln bei allen Experten die Alarmglocken. Neben Plutonium ist Tritium heute wesentlicher Bestandteil moderner Atombomben. Tritium ist das radioaktive Isotop des chemischen Elements Wasserstoff und wird auch als schwerer Wasserstoff bezeichnet. Für den Einsatz in Atomwaffen sind schon fünf bis zehn Gramm Tritium ausreichend. Sinn des Tritiumeinsatzes ist eine wesentliche Verbesserung der Energieausbeute, die Explosiv- und Zerstörungskraft der Bomben wird durch Tritium als „Verstärker“ wesentlich erhöht. Zweiter Effekt: Die Menge des eingesetzten Plutoniums kann durch wenige Gramm Tritium um etliche Kilogramm reduziert werden. Schon vier Kilogramm Plutonium sind dann als kritische Masse für eine Bombe ausreichend. Obwohl Tritium ein ungeheures radioaktives Potential besitzt (10.000 Curie pro Gramm), ist es für militärische Zwecke handhabbar, weil sich seine Strahlung schon mit relativ dünnen Abschirmungen zurückhalten läßt. Tritium entsteht in Atomreaktoren als radioaktives Abgas, das aber in dieser Form für Waffenzwecke als untauglich gilt. Gleichzeitig läßt sich Tritium aber gezielt aus Lithium erbrüten.

Entscheidend ist die Menge an Tritium, die von NTG an Pakistan geliefert wurde. Dazu verweigerte die Hanauer Staatsanwaltschaft gestern jede Auskunft. Auch zur Herkunft des Tritiums machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben. Für die Tritiumlieferungen gibt es außerhalb der militärischen Relevanz keine Erklärung. Die NTG hatte keine Umgangserlaubnis für diesen hochgefährlichen Stoff.

Neben Tritium wurden die verschiedensten Zubehörteile für die Brennelementefertigung nach Pakistan geliefert, vor allem Hüllrohre aus Zirkaloy. Außerdem eine Presse zur Herstellung von Uran-Pellets, die in die Brennelemente als Brennstoff eingefüllt würden, sowie Schmelz- und Sinteröfen. Diese Anlagenteile sind durchweg „dual-use-items“, also Geräte, die sowohl militärisch als auch zivil nutzbar sind. Die Hüllrohre aus Zirkaloy können Brennstoffe aufnehmen, die sowohl zur Stromerzeugung wie auch zur Plutoniumproduktion einzusetzen sind. Die Pakistanis haben sich mit den Lieferungen von NTG auf jeden Fall verschiedene wich tige Komponenten für den Betrieb eines Atomreaktors verschafft. Wie dieser Atomreaktor dann eingesetzt wird - militärisch oder zivil - bleibt Sache der Be treiber.

Die in der Hanauer Liste aufgeführten Behälter für Uranhexafluorid sind für die Urananreicherung relevant. Schon in den 70er Jahren waren in der Bundesrepublik und der Schweiz mehrere Firmen aufgeflogen, die sensible Komponenten nach Pakistan illegal exportiert hatten. Seitdem ist klar, daß Pakistan eine Uran hexafluorid-Anlage zur Uran anreicherung betreibt.

Der NDR, der die Proliferation von NTG am Dienstag enthüllte, berichtete außerdem von Berylliumlieferungen nach Pakistan. Auch dieser Stoff ist für die Militärs interessant. Beryllium ist als sogenannter Reflektor (Um mantelung) bei Atomwaffen eingesetzt und erhöht die Neutronenausbeute. Vor allem für Neutronenwaffen ist Beryllium geeignet.

Manfred Kriener

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