Lebenslänglich für „Verdeckungsmord“

■ Der Mörder der 21jährigen Claudia Mrosek wurde zu lebenslanger Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt / Das Gericht befand den Angeklagten für voll schuldfähig, der Gutachter sprach von „Schizophrenie“ / Die Verteidigung kündigte Revision an

Zu lebenslänglicher Haft und Unterbringung in Sicherungsverwahrung wegen Mordes wurde gestern der 32jährige Hansjoachim Rosenthal verurteilt. Er hatte Ende Februar dieses Jahres die 21jährige Bankangestellte Claudia Mrosek in deren Neuköllner Wohnung als Geisel genommen, vergewaltigt und schließlich in einer Gartenlaube erdrosselt. Bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen war erstmalig eine Genomanalyse, der sogenannte „genetische Fingerabdruck“, zur Identifizierung des Vergewaltigers vorgenommen worden. Weil Rosenthal aber ein Geständnis abgelegt hatte, wurde das Gengutachten nicht als Beweismittel benötigt. Die Kammer wäre zur Einführung des umstrittenen Beweismittels, wenn nötig, bereit gewesen (siehe taz vom 15.12.88).

Die Kammer folgte in ihrem Urteil dem psychiatrischen Gutachten von Professor Wilfried Rasch nur teilweise, das Aufklärung über Rosenthals Schuldfähigkeit geben sollte. Der Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie hatte bei Rosenthal Merkmale einer beginnenden Schizophrenie diagnostiziert, deshalb auf verminderte Schuldfähigkeit erkannt und dringend die Einlieferung des Angeklagten in eine psychiatrische Anstalt empfohlen. Das Gericht hielt aber, anders als der Psychiater, die Ermordung Claudia Mroseks für einen Verdeckungsmord.

Die Tat stand am vorläufigen Ende einer einschlägigen kriminellen Karriere. Nach einer, wie Richter Heinze meinte, „gelinde gesagt: katastrophalen“ Situation zu Hause Rosenthals Vater war wegen eines Sexualdeliktes mit der ältesten Tochter in Haft, als sich seine Mutter nach mehreren Anläufen das Leben nahm - hatte der Angeklagte im Alter von 14 Jahren bereits 47 Straftaten begangen. Einen großen Teil seiner Jugend verbrachte er in Heimen, aus denen er oft ausbrach. Bei einem Raubüberfall verletzte er 1976 eine 73jährige Frau mit einem Messer so schwer, daß sie an den Stichfolgen starb. Dafür verbüßte er eine zehnjährige Haftstrafe.

Rosenthal war im Februar 1988 gerade zwei Monate in Freiheit, als er - davon ging die Kammer aus - per Zufall auf Claudia Mrosek stieß: Ein Schild an der Tür des Hauses Silbersteinstraße 144, das auf das Maklerbüro von Claudia Mroseks Vater hinwies, veranlaßte den wohnungssuchenden Rosenthal, irrtümlich an die Wohnungstür seines späteren Opfers zu klopfen.

Die junge Frau, von Zeugen als „vorsichtig“ und „ängstlich“ charakterisiert, öffnete ihm freiwillig. Doch als Rosenthal erkannte, daß aus seiner Idee, noch am gleichen Tag eine Wohnung zu finden, nichts würde, war der psychisch labile Mann aus Enttäuschung wütend. Er versuchte, so Richter Heinze, aus der Situation „Kapital zu schlagen“.

Seinem im Laufe des Abends gefaßten Plan, Claudia Mroseks Eltern zu erpressen und deshalb die junge Frau in einer nahegelegenen Laubenkolonie zu verstecken, sei Rosenthal aber „nicht gewachsen“ gewesen. Er habe, so das Gericht, einfach „Angst“ vor der Dynamik der Erpressung bekommen und deswegen die junge Frau erdrosselt. Die Richter glaubten der Darstellung des Angeklagten nicht, er habe plötzlich „Stimmen“ gehört, die ihm befahlen: „Töte sie!“. Der Gutachter hatte hier einen psychotischen Durchbruch vermutet und Rosenthal geglaubt, daß er nicht Claudia Mrosek, sondern bei der Tat seine Mutter „sah“. Gegen einen psychotischen Schub spreche, so das Gericht, daß Rosenthal bereits eine halbe Stunde nach der Tat zum ersten Mal versuchte, mit der Kreditkarte seines Opfers Geld von einem Automaten zu bekommen.

„Absurd“ nannte Verteidiger Ströbele die Gratwanderung des Gerichts zwischen unterstellter Kaltblütigkeit und Symptomen einer Psychose bei Rosenthal. Er will Revision beantragen.

Werner van Bebber