: Moderne Zeiten: Augen zu und durch
■ Die Medien, die Politik und die Alternative Liste: Popularität für die einen, reine Weste für die anderen
Der Haussender des Senats, Radio 100,6, kann sich im nächsten Jahr wieder mal über eine kostenlose Werbekampagne freuen. Nachdem bereits die Senatoren Pieroth und Wronski Schamonis Plattfunk PR-mäßig unterstützten, kommt jetzt, pünktlich zur letzten Phase des lahmen Wahlkampfes, Hilfe von der ALternativen Liste, genauer vom Medienbereich der Partei. Sie ersannen in stiller Stunde einige Spuckis und Aufkleber, die - über Originalität mag man streiten - dem Sender den Garaus machen sollen. Etwa so: „SchamONANIE, SchamoNIE (geht nich. sezza), Radio im Ausverkauf“. Das alles sei „Radio zum Weghören“. Weghören? Wohl eher Augen zu und durch. Was verboten ist, macht gerade neugierig. Und jede Antiwerbung ist im postmodernen Zeitalter noch immer Werbung, über die ein Herr vom Schlage Schamoni sich garantiert nicht ärgern wird.
Und was dem einen die Popularität, ist dem anderen die reine Weste. Der AL-Medienbereich ersann noch einen anderen Streich, den ihm ebenfalls der Geschäftsführende Ausschuß (GA) genehmigte. Alle Parteimitglieder, die sich zur AL äußern, dürfen dennoch nicht mit allen Medien der Stadt reden. Als Gesprächspartner sind die Springer-Presse, selbstredend Radio 100,6 und RIAS-TV ausgeschlossen. Die Mehrheit der Berliner Bevölkerung, die nun mal diesen Medien besonders zugeneigt ist, wird auf AL-Statements folglich verzichten müssen. Allenfalls beim RIAS-TV soll vielleicht eine Ausnahme gemacht werden (ist ja nur die Konstruktion „Staatsfernsehen“), ansonsten gilt der Maulkorb. Und der darf sogar, welch Liberalität und Großzügigkeit, ein bißchen durchlöchert werden; die Pressemitteilungen sollen auch an die inkriminierten Medien gehen.
Und falls jemand vergessen haben sollte, wer oder was verdammt noch mal „AL“ war, der oder die kann das dann hin und wieder dieser Zeitung entnehmen (na allerdings. sezza). Vorausgesetzt, sie fällt nach diesen Zeilen nicht auch unter die Zensurmaßnahmen, wegen Verstoßes gegen die reine Lehre.
bim
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