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Der zerstörte Zauber der Zoohandlung

„Sagen Sie mal, wie verpacken Sie Fische zum Mitnehmen?“  ■  Von Jürgen Wengler

Ich hatte gerade bei der Bank spekuliert, mit Erfolg. Meine Arbeitslosenhilfe war endlich überwiesen, und als traditionsbewußter Mensch gönne ich mir dann immer was Besonderes: mal spontan ins Kino gehen, im Straßencafe 'nen großen Eisbecher, ab und an, um beim Anspruch zu bleiben, ein „wirklich gutes Buch“.

Aber heute war mir nicht nach alledem, was weder Fisch noch Fleisch war, ich wollte Fisch. Abends, so plante ich, sollte ein leckeres Fisch-Gulasch auf dem Tisch stehen.

Da ich finanziell in der glücklichen Lage war, nicht nur Barsch zur Grundlage machen zu müssen, ging ich Einkaufen und leckte mir bei der Vorstellung von ein paar Häppchen Hecht, einem „Bißchen“ Zander und einem Stückchen Scholle schon die Lippen.

Doch da, an unerwarteter Stelle, sah ich ihn plötzlich vor mir, in all seiner Pracht. Bunt schillernd, weiche Flossen fast wie Flaum, gluck-glucksendes Herzmündchen, schwamm er im Aquarium einer Zoohandlung. Nicht etwa, daß ihr denkt, ich sah in ihm ein Häppchen, nein! Aber...

Beim Ding-Dong der Ladenklingel sahen weder der Verkäufer noch die drei Kunden auf, die ganz verzaubert von den beiden wuscheligen Kätzchen waren, die sich gerade in einer anderen Auslage liebkosend balgten. „Was kostet der große bunte Fisch da vorne?“ Meine Frage reichte aus, um wenigstens den efeugrün bekittelten Ladenhüter zu entzaubern. „198,- Mark!“ Ganz schön happig, dachte ich. „Ist der eßbar?“ Damit war für alle Anwesenden, außer den nicht betroffenen Kätzchen, der Zauber hin.

Ungläubiges Stirnrunzeln, fast selbstbetroffen glotzende Karpfengesichter. „Ähem, wie meinen Sie das?“ Die Frage kam mit abschätzendem Blick, ob ich vielleicht nicht ganz so dicht wäre wie die noch sichere Behausung des lieben Fischleins.

„Nun, ich hab‘ grade 'n bißchen viel Geld über und wollt‘ mir mal was Exquisites in die Pfanne hau'n.“ So ganz cool kam das nicht raus, schien aber gerade den richtigen Eindruck hervorzurufen, um von der Ungläubigkeit in Empörung überzuwechseln. Am Ball bleiben, dachte ich: „Sagen Sie mal, wie verpacken Sie denn Fische zum Mitnehmen?“

„In so 'ner Klarsichtpackung mit Wasser drin. Aber hör'n Sie mal, das ist ein Zierfisch, und wir sind hier nicht 'Nordsee‘.“ „Eben deswegen, ich will ja was Exquisites. Das mit dem Klarsichtplastik braucht's nicht. Sie können ihn einfach in Papier einschlagen.“ Damit legte ich zwei Hunderter auf die Ladentheke. Das schien aber noch kein finales Argument zu sein.

Vom Wohlwollen der anderen Kunden getragen, betonte der Efeugrüne nochmals nachdrücklich, dies sei ein Zierfisch, und - schon Ansätze von Kompromißbereitschaft zeigend - sie würden nur in Klarsichtplastik verkaufen.

Ein bißchen mulmig war mir jetzt schon, denn eigentlich sehe ich gar nicht wie ein „Kannibale“ aus, aber wenn ich so, leicht verschüchtert blinzelnd, Gesichter und Haltung der Anwesenden ansah?

Jetzt könnte mir, dachte ich, die alte deutsche Militär und Verkaufsstrategie hilfreich sein: Immer sein Ziel etwas zu weit nach vorne stecken, das gibt dann den richtigen Kompromiß. „Nun, wickeln Sie ihn schon ein. Ach, 'ne Dose Kittekat brauch‘ ich auch noch für unsere Katze.“ „Wir verkaufen nur in Klarsichtplastik“, blieb der Verkäufer beherrscht und standhaft. Mein Kittekat-Ansinnen ignorierte er.

„Nun gut, dann eben nicht“, zog ich mich zurück. Unter den mir folgenden Blicken lief's mir schaurig die Rückengräte runter. Was für ein standhafter Unverkäufer, bedauerte ich ich wäre doch gerne noch als Vertreter des Tierschutzvereins aufgetreten.

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