: Entlassungen bei Minox
■ Nach Eröffnung des Konkursverfahrens bei Kamerahersteller bereits 200 ArbeiterInnen auf die Straße gesetzt / Seit zwei Monaten keine Gehaltszahlungen
Gießen (ap) - Für die Mitarbeiter des traditionsreichen Kameraherstellers Minox hat das neue Jahr mit der Angst vor der Arbeitslosigkeit begonnen. Der mit Wirkung zum Jahreswechsel bestellte Konkursverwalter Wilhelm Schaaf teilte gestern auf Anfrage in Gießen mit, rund 200 Beschäftigte seien bereits entlassen worden. Die übrigen 335 Arbeiter und Angestellte hätten zunächst einen Arbeitsvertrag für einen Monat erhalten, der aber voraussichtlich verlängert werde. Die Mitarbeiter, die noch auf ihre Lohn- und Gehaltszahlungen für November und Dezember warten, wurden am Montag in Betriebsversammlungen von Schaafs Sanierungsplan unterrichtet.
Der Frankfurter Rechtsanwalt äußerte sich zuversichtlich, den Hersteller von Klein- und Kleinstbildkameras auf Dauer weiterführen zu können. In den kommenden neun bis zwölf Monaten müsse Minox „betriebswirtschaftlich stimmig gemacht“ werden. „Dann hoffe ich, daß ich jemanden finde, der das übernimmt.“ Das mit insgesamt 45 Millionen Mark verschuldete Unternehmen machte 1988 einen Umsatz von knapp 70 Millionen, schrieb dabei aber Verluste von sechs bis sieben Millionen Mark. Schaaf erklärte, er strebe für das neue Jahr einen Umsatz von erneut 70 Millionen Mark an.
Betroffen von der Kündigung ist auch die bisherige Geschäftsleitung mit dem geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter Robert G. Corduwener. Schaaf will aus der bisherigen Geschäftsleitung nur Klaus Rinn weiterbeschäftigen, allerdings nicht als Geschäftsführer. Rinn habe auf diesem Sektor bisher gute Arbeit geleistet, sagte Schaaf. Die Familie von Rinn war bis 1988 alleiniger Gesellschafter von Minox. Seit dem vergangenen Jahr hält Corduwener 51 Prozent. Die übrigen 49 Prozent liegen bei der Familie Rinn, die unter anderem eine Zigarrenfabrik betreibt.
Heftige Vorwürfe gegen die bisherige Geschäftsführung kamen von der IG Metall. Deren Gießener Generalbevollmächtigter Helmut Pairan beschuldigte Mitglieder der Geschäftsleitung, einen „feudalen Lebensstil“ geführt zu haben.
Vor dem Einstieg Gorduweners waren noch 720 Mitarbeiter bei Minox beschäftigt. Der Unternehmer, der zuvor die Tochtergesellschaften des schwedischen Elektrokonzerns Ericsson in den Niederlanden und der Bundesrepublik saniert hatte, wollte die Verlustphase bei Minox mit einer Stärkung des Vertriebs und Exportgeschäfts überwinden. Minox ist in der Bundesrepublik der letzte Hersteller von Amateurkameras der mittleren und oberen Preisklasse und gilt vor allem im Ausland als Spezialist für „Spionagekameras“.
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