: Turner kämpft für Abriß
■ Senator Turner will gegen den Willen des Weddinger Baustadtrates zwei Wohnhäuser des Virchow-Klinikums abreißen / Vorübergehende Nutzung fraglich
Bausenator Wittwer (CDU) muß jetzt entscheiden, ob zwei Schwesternwohnhäuser des Uni-Klinikums Rudolf Virchow (UKRV) im September abgerissen werden dürfen. Wissenschaftssenator Turner (auch CDU) muß den Bausenator zu Hilfe rufen, weil sich der Weddinger Baustadtrat Lüdtke (SPD) weigert, dem Abriß zuzustimmen. Nachdem der Stadtrat im November einen von Turners Behörde eingereichten Abrißantrag abgelehnt hatte, legte Turner schon am 16.12. Widerspruch beim Bausenator ein. Lüdtke, der den Vorgang gestern bekannt machte, findet Turners Abrißabsicht „unverständlich“. Der Baustadtrat verwies gestern auf den „angespannten Wohnungsmarkt“. Die zwei Häuser mit insgesamt etwa 160 Wohnungen sollen einem Neubau für „Forschung und Lehre“ des Klinikums weichen. „Frühestens 1991“ erst werde mit dem Neubau begonnen, argumentiert Lüdtke. Deshalb sei es unnötig, die Häuser schon im September abzubrechen. Nicht nur Turners Sprecher Vogt, sondern auch der amtierende Verwaltungsleiter der Klinik, Motzkus, verteidigen dagegen den Abrißtermin im September als „unbedingt nötig“. Für bauvorbereitende Arbeiten müßten die Flächen schon in diesem Jahr abgeräumt werden. Jetzt warten Turner und die Klinikleitung auf die Entscheidung des Bausenators. Eine Stellungnahme der Bauverwaltung war gestern am späten Nachmittag nicht mehr zu erhalten.
Lüdtke schlägt vor, die 28 Quadratmeter großen Appartements in den Häusern befristet an Studenten und Aussiedler zu vergeben. Auch der Wissenschaftssenator hat versprochen, bis September in etwa 100 Appartements, die bereits leerstehen, Studenten unterzubringen. Ob daraus etwas wird, ist jedoch fraglich. Der Personalrat des Klinikums hat nämlich Widerspruch gegen Turners Pläne eingelegt, die Häuser allein für Studenten zu öffnen. „Ich kann den Personalrat verstehen“, sagte gestern Motzkus zur taz. Würden die Forderungen des Personalrats aber erfüllt, geriete der Abrißtermin wieder ins Wanken. Jetzt soll der Gesamtpersonalrat der FU entscheiden. Motzkus zu den Aussichten für Turners Pläne: „Ich bin kein übertriebener Optimist.“
Einsteinufer ungeeignet
Das leerstehende Gebäude am Einsteinufer 21, das kurzzeitig von Wohnungsnotbetroffenen besetzt worden war, soll in zwei Jahren der Abrißbirne zum Opfer fallen. Nach Auskunft des persönlichen Referenten von TU-Präsident Fricke Haberland ist das Gebäude vom Senat für den Erweiterungsbau zweier eigenständiger Institute vorgesehen. Es handelt sich hierbei um das Heinrich-Hertz-Institut für Elektrotechnik sowie um das Conrad-Zuhse-Rechenzentrum. Das Studentenwerk sei beauftragt worden, so Haberland, zu prüfen, ob nicht das Einsteinufer 21 bis zu seinem Abriß als Studentenunterkunft dienen könne. Allerdings sei die Bausubstanz in einem dermaßen schlechten Zustand, daß es zweifelhaft sei, ob sich eine Renovierung für eine nur vorübergehende Bewohnung des Hauses überhaupt lohne. Allein die Renovierung nähme höchst wahrscheinlich ein Jahr in Anspruch.
Nach Vermutung Haberlands sei die Einstellung der Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs gegen die 98 BesetzerInnen nicht zustandegekommen, weil an der Besetzung des Einsteinufers 21 nicht nur StudentInnen beteiligt gewesen seien. TU-Präsident Fricke hatte den BesetzerInnen seinerzeit versprochen, sich um eine Einstellung des Verfahrens zu bemühen.
c.b.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen