: Tiefstfliegerei
Scholz unterstützt unfreiwillig die Tieffluggegner ■ K O M M E N T A R
Ganz gleich, wie häufig und wie tief die Bundesluftwaffe ihre Tiefflieger in der Luft halten kann, der amtliche Gedankenflug befindet sich jedenfalls schon in unmittelbarer Bodennähe: Tiefflüge sind nicht mehr nötig, weil's der Feind so will. Vielmehr geht es um die „Sicherung des Ausbildungsstands der Piloten“ (CSU-Generalsekretär Huber). Ja, Tiefflüge sei man geradezu den „Familien der Piloten schuldig“, erklärte Scholz‘ neuer Staatssekretär Wimmer. Und das Bundesverteidigungsministerium sieht bei Tiefflugmangel gar die Gesundheit der Bevölkerung in Gefahr. Mehr als hundert abgestürzte Tiefflieger? Bislang entnahmen unlogische Paranoiker dieser Zahl eine Bedrohung der Bevölkerung. Das Gegenteil ist wahr! Es ist eine Gesundheitsstatistik. Denn will man der Logik des Verteidigungsministeriums trauen, hätten die düsengetriebenen Lemminge längst schon ganze Städte vernichtet, wenn sie nicht ihre Reflexe hätten trainieren können. Die nächsten Abstürze gehen, so muß man folgern, auf das Konto von Würzbach, weil unsere Flieger die Weihnachtspause nicht verkraftet haben.
Was ist das? Chuzpe, logischer Absturz oder epidemischer Mangel an Argumenten? Auf jeden Fall hat Scholz, der politische Absturz des Jahres 1988, weder Argumente noch politischen Rückhalt. Inzwischen wird er von Politikern seiner Fraktion geradezu als Objekt zur politischen Profilierung benutzt. Rühe, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, stellt kurzerhand eine Verringerung der Tiefflüge noch in diesem Monat in Aussicht, denn „die Bevölkerung“ will Taten sehen. Mit anderen Worten: Was der Minister meint, zählt nicht mehr. Scholz hatte sich schon vor Remscheid einigen Ruf als vorgesetzter Angstbeißer und außerparlamentarischer Amtsträger erworben. Aber auch ohne diesen Ruf hätte er nicht beides tun können: die Tieffliegerei im allgemeinen und die alliierte Tieffliegerei im besonderen zu verteidigen. Er hätte, wenn's ihm tatsächlich ernst gewesen wäre um den sogenannten Ausbildungsstand, mindestens den Kopf des amerikanischen Thunderbold-Piloten fordern müssen, der eigentlich vor ein Militärgericht gehört. So aber hat er, in seiner wilhelminischen Unrast, zweierlei erreicht: Er hat die Front gegen die Tiefflieger bis zur CDU hin ausgebaut und gleichzeitig eine Debatte über bundesdeutsche Souveränität provoziert. Dem Tiefstflieger Scholz sei Dank!
Klaus Hartung
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