piwik no script img

Scholz legt sich mit Fraktion an

Im Streit um die Tiefflüge bewerfen sich der Verteidigungsminister und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rühe mit Interviews /USA erwägt derweil Tiefflugverlagerung nach Marokko  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Während die USA bereits erwägen, einen Teil ihrer Tiefflugübungen aus der Bundesrepublik nach Marokko zu verlagern, haben Verteidigungsminister Scholz und die CDU/CSU-Fraktion ihren Streit über eine Verringerung der Tiefflüge in die Öffentlichkeit getragen. In einem gestern veröffentlichten Interview der 'Westfälischen Nachrichten‘ bezeichnete Scholz eine Halbierung der Flüge innerhalb der nächsten zwei Jahre als „reine Spekulation“. Eine solche Reduzierung hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Volker Rühe vorgeschlagen. In einem heute erscheinenden Gespräch mit dem 'Hamburger Abendblatt‘ kontert Rühe: Die Unionsfraktion erwarte von Scholz ein „umfassendes Konzept“ für eine „weitestgehende Verringerung“ der Tiefflüge. „Alle Möglichkeiten zur Verringerung des Tiefflugs müssen ausgeschöpft werden“, verlangte Rühe. Scholz sei gegenüber der Fraktion im Wort.

Die US-Luftwaffe in Europa sieht offenbar schon konkrete Möglichkeiten: Ihr Oberbefehlshaber Kirk kündigte gestern an, man erwäge eine teilweise Verlagerung nach Morokko. Er betonte jedoch, die Überlegungen seien noch in einem frühen Stadium. Welchen Umfang die Tiefflugverlagerung haben könnte, sei nicht abzusehen.

Bislang deutet sich an, daß die Bundesluftwaffe durch Einsatz von Flugsimulatoren und einer teilweisen Verlagerung nach Kanada und in die Türkei die Tiefflüge reduzieren will. Baldige Auswirkungen wird das aber nicht haben. Weder sind die Simulatoren entwickelt - es wird mit mindestens zwei Jahren gerechnet - noch die Einrichtungen in der Türkei gebaut. An einem internationalen Trainingszentrum dort sollen sich auch die Alliierten beteiligen. Welche Nationen bei dem Projekt mitmachen und wie die Kosten aufgeteilt werden, werde sich erst Ende des Jahres entscheiden, teilte der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums Trittermann mit. Eine Verlagerung nach Kanada sei erst für 1991 geplant.

Daß die Halbierung der Tiefflüge innerhalb von zwei Jahren „reine Spekulation“ ist - damit mag der rechthaberische Scholz zwar recht haben. abzuwarten bleibt jedoch, ob es von ihm politisch geschickt war, Volker Rühe so abzukanzeln. Die Frage, ob dieses Vorgehen nicht nur die Probleme des Ministers mit der eigenen CDU-Fraktion noch vergrößert, mochte Sprecher Trittermann jedenfalls gestern nicht kommentieren. Das Ministerium wolle lediglich „verhindern, daß eine zu hohe Erwartungshaltung in der Bevölkerung geweckt wird“. Eine solche Reduzierung sei „einfach unrealistisch“. Das Ministerium weigert sich allerdings, eigene Zahlen zu nennen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen