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ZEUS, DER BOSS

■ „Vorsicht Feuer“ vom Rocktheater Reineke Fuchs im Hebbel-Theater

Die Götter sind da. Seit Weihnachten tummeln sie sich auf den Brettern, die Himmel und Hölle bedeuten. Zeus erscheint verspätet, weil seine Linienmaschine aus Athen noch einige Warteschleifen über dem Flughafen einlegen mußte. Er klagt bitterlich über den herrschenden Platzmangel und kollidierende Luftschiffe: „Luft, Hermes - wo bleibt die Luft?“ Aber auch Hermes scheint nicht in bester Laune zu sein, im „Gefahren-Duett“ mit Hades, dem Anwalt des Todes, beweist auch er eine recht aktuelle Weltsicht: „Wie soll nur alles weitergeh'n, wenn alle Götter schlafen? Nie war diese Welt so klein, nie das Gift so gut verteilt, nie der große Knall so nah, nie, nie, nie.“

Jajaja möchte man ihm zurufen, wissen wir doch alles längst, für diese Botschaft braucht es keine Götterboten, kennen wir doch alles aus der Tagesschau. Solch billige Ausreden kontert Hermes messerscharf: „Ihr solltet euch alle einbalsamieren. Angefrustet und verkrustet, befallen vom Virus der Gleichgültigkeit trickst Ihr Euch aus mit Durchtriebenheit.“ Weiteren Zorn zieht Prometheus auf sich, der das Feuer unter die Menschen bringen will. Die Versammlung der Götter wird zur Aufsichtsratssitzung der „Olympic Inc.“, die das Heil des Krieges beschwört. „Reich, immer reicher macht uns der Krieg“, und die modernen Götter verwandeln sich flugs in fiese Waffenschieber.

Zwischen den Zankereien greifen die Reineke-Fuchs-Götter immer wieder zu den Waffen, sprich Instrumenten, trällern ein fröhliches Liedchen vom Weltuntergang. Erich Räuker, alias Zeus, zupft heftig am E-Baß herum, Hades Albrecht Riermeier verschanzt sich mit seinem Schlaginstrumentarium im Orchestergraben. Seine deutliche Affinität zur Unterwelt hindert ihn aber nicht daran, das Geschehen auf der Bühne mitunter mit dem Taktstock zu dirigieren. Der heimliche Chef vons Janze scheint Altfuchs Bruno Ferrari zu sein, dessen Prometheus mit List und Tücke das Feuer unter den Menschen entfacht. Da kann Ana Fonell-Hermes sich noch so bemüht ihren Reim drauf machen: „Der Gedanke Mensch und Feuer, der ist einfach ungeheuer. Gefährlich ist das Risiko, schnell brennt alles lichterloh.“ Die Kastrophe nimmt trotzdem ihren Lauf. Als Untermalung vom Band ertönen heftige Donnerschläge aus der Beatbox, die Göttin des vollen Busens, Io, öffnet krachend eine Tür zum Zuschauerraum und trällert in höchster Opernmanier durch den Saal - es ist eine helle Freude. Ihre Kollegen auf der Bühne wirken dagegen oftmals ein wenig phlegmatisch, als könnten sie sich nicht recht zwischen langweiligem irdischen Dasein und heftigem Götterfunkensprühen entscheiden.

Überhaupt wirkt der erste Teil des Götterreigens ein wenig überfrachtet mit Stellungnahmen zur aktuellen Weltlage. Saurer Regen, verpestete Luft, Waffengeschäfte und Krieg, all die Übel der heutigen Zeit werden abgehakt, man kommt sich vor wie beim Parteitag der Grünen, wo man sich solidarisch beweint: Ach hab‘ ich nicht recht, die Welt ist schlecht.

Nach der Pause kommt es dann aber doch zu einer rasanten Beschleunigung der Ereignisse. Aus Rache für den Feuerraub des Prometheus gibt Zeus eine Mutantenproduktion in Auftrag. Im Genlabor entsteht Pandora, die mit der Büchse, nach der Sage das erste Weib auf Erden. Damit sie nicht aussieht wie eine Tochter Dr.Frankensteins, verpaßt man ihr sofort einen schicken spitzen Büstenhalter, ein paar schwarze Strumpfhosen und einen knatschengen Rock. Nun muß sie nur noch den „Emotionstest“ überstehen, hysterisch kreischen oder blöd grinsen und heftig Arschwedeln, fertig ist das Retorten-Baby. Kaum ist sie entschlüpft, steht auch schon der erste Blöd-Mann bereit, sich in sie zu verlieben. Wie simpel reagieren doch die Götter, sie sehen den Menschen gleich. Erwischt hat es Epimetheus, jüngerer Bruder des Prometheus. Unverfroren bekennt er: „Es wächst in mir die Sympathie, ich sehne mich nach Harmonie.“ In diesem Gefühlsstadium ist göttlicher Rat teuer. Bruder Prometheus warnt heftig vor der Mutantenschickse, „Betrug, es stinkt hier nach Betrug“, aber der Kleine will mit der Götterbraut persönlich verhandeln. „See me, take me, test me, and you will be so happy“, schäumt es in bester Tommymanier (The Who) aus ihr hervor. Emotionstest bestanden, das große Götterflachlegen kann beginnen. Pandora, die moderne Ausgabe des altbewährten Dummchens, eine gelungene Kopie der zeitgeistigen Luxusweibchen auf der Straße, die sich für emanzipiert halten, weil sie endlich auch Karriere machen dürfen. „Komm, schau mir in die Augen, Kleiner, bei mir ist alles so viel feiner. Ich bin perfekt für jeden Mann, ein wunderbarer Talisman. Effektiv, exklusiv, attraktiv.“

Bei solch zündenden Argumenten kann auch der Feuerwehrmann, der die ganze Zeit über am Rande der Bühne ausgeharrt hat, nichts mehr ausrichten. Er vertauscht den Wassereimer mit der Bouzuki, legt den weißen Helm zur Seite und gesellt sich zum großen Schlußintermezzo der Götter. „Drum teste, wer sich ewig bindet, damit er nur das Beste findet.“

Andreas Becker

„Vorsicht Feuer“ bis zum 15.1. im Hebbel-Theater, täglich 20 Uhr, außer Montags.

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