: Neue Kammer in der Bürgerstraße
■ Angestelltenkammer seit einem Jahr von den DGB-Gewerkschaften bestimmt Die Angestellten-Vertretung präsentiert sich im neuen Haus in der Bürgerstraße
„Ich würde mich freuen, wenn das Thema Arbeitslosigkeit in Bremen eine ähnlich große Bedeutung hätte wie die Schließung des Kippenberg-Gymnasiums“, meinte gestern der Präsident der Angestellten-Kammer, Bernhard Baumeister, und kommentierte: „Das halte ich für einen Skandal.“ Arbeitnehmer-Rechte deutlicher in der bremischen Öffentlichkeit und politischer zu vertreten, hatten die DGB-Gewerkschaften vor einem Jahr versprochen, als sie die Angestellten um die Stimmen für ihre KandidatInnen baten. Ein Jahr ist der neue Kammer -Präsident im Amt - Zeit genug für eine Bilanz, zu der die Landespressekonferenz auch das Vorstandsmitglied und DGB -Vorsitzenden Heinz Möller eingeladen hatte.
Mit 270 Beschäftigten, 20 Millionen Jahresumsatz und ca. 70.000 in Bildungsurlaub oder Rechtsberatung erreichten BremerInnen ist die Angestelltenkammer ein großes Gewicht in der Vertretung von Arbeitnehmer-Interessen. Die neue Mehrheit und der neue DGB-Mann an der Spitze wollten denn auch mit einem „Struktur-Schwerpunkt-Programm“ neue Akzente setzen. Das schon am 16. Juni 1988 beschlossene Papier lag im vergan
genen Herbst allerdings auf Eis: Von den 20 Millionen des Angestelltenkammer-Haushalts kommt die Hälfte aus „Drittmitteln“, und mit der Novelle des Arbeitsförderungs -Gesetzes (AFG) wird hier der Hahn kräftig zugedreht. 500 Millionen Mark hat deshalb die Kammer für ihre „Wirtschafts und Sozialakademie“ zurückgestellt, Der im vergangenen Juni geplante Ausbau des Betriebs- und Personalräte-Zentrums, die Erweiterung der Rechtsberatung und der Kulturarbeit der Angestelltenkammer muß deswegen mit weniger Mitteln auskommen als ursprünglich gedacht. „Nicht alle Blütenträume“ des Wahlkampf-Programms, gestand der DGB-Chef Möller, seien „gereift“.
Dennoch hält er aber das Thema der Beitragserhöhung nicht für aktuell. Vor der nächsten Bundestags-Wahl, so gab Möller sich optimistisch, würden die Parteien in Bonn gewöhnlich die Arbeitnehmer entdecken, die derzeitige Förderungs -Struktur werde sich „nicht durchhalten lassen“. Zudem gebe es die Hoffnung auf EG-Programme.
In Zusammenarbeit mit der ebenfalls von einer DGB-Mehr heit bestimmten Arbeiterkammer will die Angestelltenkammer so
wohl eine Arbeitslosenberatung wie eine Technologie-Beratung realisieren. Mehr als eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Kammern sei aber „zumindest in dieser Legislaturperiode“ nicht aktuell, betonte Baumeister wie auch Möller.
In dem neuen Haus an der Ecke Bürgerstraße/Violenstraße (früher war hier ein Parkplatz und der Veranstaltungsraum des „3.-Welt-Hauses“) wird es in einem Saal mit 150 Plätzen auch neue Möglichkeiten für Kulturarbeit geben. Als Beitrag zur Unterstützung des gesellschaftlichen Selbstbewußtseins der ArbeitnehmerInnen will die Angestelltenkammer an die „arbeitnehmer- orientierte Kulturarbeit des Senats“ anknüpfen.
Bei der Einweihung des neuen Hauses, die in dieser Woche gefeiert wird, wird es erste Kostproben geben. Am Mittwoch ist „Tag der Offenen Tür“, abends sollen im eigenen Saal WissenschaftlerInnen und Gewerkschafter über den Wandel im Angestelltenbereich debattieren, es werden Pago Balke, Libretto Fatale, Penny Pensky und andere einen Vorgeschmack auf das kulturelle Kammerprogramm geben. Am Donnerstag soll „Frauentag“ sein.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen