: „Im fünften Satz geht's Ratz-Batz“
Bremer Frauen-Volleyballturnier erstmals mit dem Tie-Break im Entscheidungssatz / Kuba nicht zu schlagen ■ Aus Bremen Jürgen Francke
Fanfaren, Spotlights, Einmärsche und Ansprachen, das sind mittlerweile auch bei internationalen Volleyballturnieren Zutaten, auf die heute kein Veranstalter mehr verzichten mag. Auch das 10. Volleyball-Nationenturnier der Frauen in der Bremer Stadthalle machte da keine Ausnahme. Um den Pokal einer Bremer Brauerei mußten die Spielerinnen kämpfen, und dies, obwohl der europäische Verband Drogenwerbung verboten hat.
„Die beste Turnierbesetzung der Welt“ war angekündigt, doch schon am ersten Tag der fünftägigen Veranstaltung durften berechtigte Zweifel angemeldet werden, ob dieser überschwengliche Anspruch auch wirklich eingelöst werden konnte. Die Gewinnerinnen der olympischen Silbermedaille von Seoul, Peru, schmettern jetzt lieber für einen Haufen Lira in der italienischen Profiliga, so daß sich in Bremen nur eine Juniorinnenfrauschaft vorstellte. Auch die Chinesinnen, auf dem Papier immerhin die dritten in Korea, nahmen mit 17 bis 20jährigen teil, das reguläre Team war nach den Olympischen Spielen kurzerhand aufgelöst worden, sogar die Cheftrainer wurden entlassen. Kanadas kaugummikauender Trainer Wilson verwies lieber gleich zu Beginn auf seine „Aufbauformation“, und auch die niederländische Delegation mochte nur tiefstapeln.
So ruhten eigentlich alle Hoffnungen auf dem amtierenden Europameister DDR, der besten Vereinsfrauschaft der Welt, Uralotschka Swerdlowsk aus der Sowjetunion (immerhin mit fünf Goldmedaillen-Gewinnerinnen aus Seoul) und den Kubanerinnen. Als Olympiaboykotteure wußte niemand genau um ihre momentane Spielstärke, doch Hauptangreiferin Mireya Luis und Co. kannten alle noch aus den letzten beiden Jahren, als sie das Bremer Turnier gewannen.
Unbekümmerte Chinesinnen
Bei der Fülle von 3:0-Ergebnissen in den Vorrundenspielen waren es ausgerechnet die jungen Chinesinnen, die mit ihrem unbekümmerten Spiel das Publikum in Begeisterung versetzten. Nach einer Aufholjagd gegen die DDR, die sie mit einer wahren Wunderleistung mit 3:2 in die Knie zwangen, holten sie am nächsten Tag gegen Swerdlowsk zum nächsten Schlag aus. Wiederum in fünf Sätzen brachten sie das sowjetische Team an den Rand einer Niederlage und deren Trainer Nikolai Karpol dem Herzinfarkt nahe. Zum Schluß konnte er sich schließlich doch entspannen, seine Spielerinnen behielten knapp die Oberhand.
Die bundesdeutsche Formation erwies sich abermals als generöser Gastgeber und Meister im Beibehalten ihres spielerischen Status Quo. Gegen Peru und Kanada, die am Ende die beiden letzten Plätze belegten, gab es zwei mickrige Siege, die Volksrepublik China, die DDR und die Niederlande waren schlicht eine Nummer zu groß, auch wenn der Bundestrainer für jeden Lapsus das passende Wort fand. Die Vorbereitung sei mies gewesen und die Gesundheit seiner Spielerinnen ebenfalls, so befand er, da sei nicht mehr zu machen.
Doch warum ein durchaus flüssiges Kombinationsspiel im nächsten Moment von Blackouts abgelöst wurde, die selbst unserem Bundeskanzler zur Ehre gereicht hätten, konnte auch er nicht begründen. Kubas Trainer Vento vermutete verschmitzt eher einen Bremen-Komplex der deutschen Frauen, doch scheinen die Probleme mehr in dem Mangel an kontinuierlicher Arbeit zu liegen. Eine Mireya Luis muß sechs Stunden pro Tag üben, um eine Reichhöhe von 3,33 Meter im Sprung zu erreichen, eine zeitliche Belastung, die für die deutschen Spielerinnen noch undenkbar ist.
So nahm es eigentlich kein Wunder, daß sich im Finale die sowjetische Vereinsvertretung und die sprunggewaltigen Spielerinnen aus der Karibik in einer Art Revanche für das Olympiaturnier gegenüberstanden. In einem Spiel voller Spannung und Dramatik waren es wieder einmal die bekannten Gesichter, die Glanzpunkte setzten. Irina Smirnowa aus Swedlowsk hämmerte den Ball über das Netz, als gelte es, tiefe Krater im Gegenfeld zu hinterlassen. Unterstützt wurde sie dabei von der überragenden Zuspielerin der fünf Bremer Tage, Irina Parchomtschuk.
Doch der gefeierte Star blieb die 21jährige Mireya Luis aus Kuba. Ihre Aktionen trieben den ZuschauerInnen das breite Grinsen ins Gesicht. Kein Block war hoch genug, als daß sie nicht versuchte, darüber hinwegzuschlagen, und ein befreiendes Kreischen ihrer Mitspielerinnen war ihr sicher, wenn sie wieder einmal wie von Sprungfedern getrieben der Hallendecke entgegenschwebte, um zu punkten.
Entscheidung im Tie-Break
Nach zweistündigem erbitterten Kampf standen die sowjetischen Spielerinnen erschöpft vor der Tatsache, daß der Athletik und dem perfekten Zusammenspiel der Nationalfrauschaft Kubas nichts mehr entgegenzusetzen war. Schade nur, daß dies ausgerechnet im neugeschaffenen Tie -Break passieren mußte, bei dem jeder Fehler zu einem Punkt führt. DDR-Trainer Siegfried Köhler meinte dann auch etwas resigniert: „Da kämpfen die Teams vier Sätze lang und dann im fünften Satz geht's ratz-batz, und es steht 15.“
Den Volleyballfrauen aus der Bundesrepublik bleibt nach ihrem sechsten Platz wohl nur die Erkenntnis, erst einmal dorthin gelangen zu müssen, wo andere Nationen schon lange sind. Doch die blicken bereits in ganz andere Richtungen. Wie im Männerbereich scheint die technische und taktische Entwicklung in der Weltspitze langsam ihr Ende zu finden. Und dann wird sich wohl nur noch der menschliche Körper weiterformen lassen. Hoffentlich nicht „quadratisch, praktisch, gut“.
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