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Tennos Tod treibt Aktien

 ■ McCASH FLOWS ORAKEL

Mit dem toten Tenno ist auch eine Lieblingsbeschäftigung der japanischen Börse passe: eben dies vorwegzunehmen. Für die japanischen Broker ist der Gottkaiser während der letzten fünf, sechs Jahre öfters dahingeschieden, was jedesmal profitabel war. Vorausgesetzt natürlich, man sah es alles so kommen und handelte konsequent. Oder man handelte und sah konsquent alles so kommen: der Kauf von Aktien der Papierindustrie und von Druckereien war allemal lohnend. Die Theorie dahinter ist leicht vermittelbar für die Kundschaft: man denke nur an die Flut von Beileidskarten, neugedruckten Formularen und Geldscheinen, die sich jetzt über Japan ergießen wird. Denn der Tod von Kaiser Hirohito ist überirdisch: Es ist das Ende von „Showa“, auf deutsch „Erleuchteter Friede“ nach 63 Jahren, eine Zeitenwende für die Japaner.

Kaiser Hirohito starb nicht nur, er wurde seit dem 19.September 1988 gestorben. Nicht nur Werbespots wurden auf Moll getrimmt, nein sogar den japanischen Brokerhäusern schien angesichts des Ernstfalles das Treiben allzu bigott. Nomura, Daiwa, Nikko, und wie sie alle heißen mögen, ließen wissen, daß entsprechende Spekulationen nicht erwünscht waren. Und das hatte Gewicht. Kein Markt auf der Welt mit Ausnahme vielleicht des Diamentenmarktes ist derart manipuliert wie der japanische Finanzmarkt. Gegen Nomura Securities, daß größte Brokerhaus der Welt, läuft nichts. Wer jetzt glaubt, Druckereiaktien kaufen zu müssen, verstößt aber auch gegen das Grundgesetz der Börse: Buy the rumor, sell the fact.

Und wenn die „vergangenen Tode“ des Tenno eine Baisse nach sich zogen, so lief's beim faktischen Tod in die andere Richtung: Die Tokioter Börse schloß gestern auf einem Höchststand. Des Kaisers Tod hatte keineswegs den erwarteten dämpfenden Effekt. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte zog um 468,85 auf 30.678 39 Punkte an. Besonders hochgefragt waren Stahl- und Schwerindustrie. Auch dies die Bestätigung der Regel, daß das „Gerücht gekauft, das Faktum aber verkauft“ werden muß, wenn man's zu was bringen will.

Hans Mayer

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