Alle zwei Wochen ein Absturz

Seit 1973 in der Bundesrepublik 372 Militärmaschinen abgestürzt - dabei kamen 300 Menschen ums Leben  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Seit 1973 ist im Durchschnitt alle zwei Wochen ein Kampfflieger auf die Bundesrepublik gestürzt, 81 Wohnhäuser wurden dabei zerstört, insgesamt kamen 372 „militärische Luftfahrzeuge“ vom Himmel. Dies ist die erschreckende Antwort auf eine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung. In kargen Worten gab die Regierung immerhin zu, daß die bundesdeutschen und alliierten Kampfmaschinen, zumeist Kampfflugzeuge und Hubschrauber, mehrfach in Wohngebiete einschlugen. Wieviel Menschen dabei getötet und verletzt wurden, wie hoch der Sachschaden ist, das gab die Bonner Regierung nicht bekannt. Das unterliege der „militärischen Geheimhaltung“.

Die bayerische „Arbeits- und Forschungsstelle Militär, Ökologie und Planung“ nennt genauere Zahlen: Bei 33 Abstürzen auf Wohngebiete kamen seit 1960 über 140 Zivilisten ums Leben. Die Opfer der Flugtage in der Bundesrepublik sind dabei nicht mitgerechnet. Allein in Ramstein starben im letzten Jahr 70 Menschen, 350 wurden schwerverletzt. Nach den Informationen des Forschungsinstitus kamen seit 1980 über 300 Menschen durch die abstürzenden Kämpfer ums Leben - im vergangenen Jahr starben 87 Menschen.

Die Bundeswehr hat seit ihrer Gründung 544 Flugzeuge durch Absturz verloren - bei einer gegenwärtigen Gesamtzahl von 570 Strahlflugzeugen. Noch höher ist Fortsetzung auf Seite 2

Fortsetzungen von Seite 1

freilich der Verlust der Nato-Partner, die die Bundesrepublik als „Schrottplatz der Alliierten“ betrachten, wie Olaf Achilles, Mitarbeiter der Militärforschungsstelle bitter anmerkt. Seit 1973, dem Beginn der Statistik, gehörten von 273 abgestürzten Flugmaschinen 233 den alliierten Freunden.

Ob die von der Bundesregierung genannten Zahlen der Wahrheit entsprechen, ist zweifelhaft: So wird der Verlust bei Flugschauen seit 1973 mit einem Hubschrauber und fünf Strahlflugzeugen angegeben. Tatsächlich sind aber allein im vergangenen Jahr neben der Ramstein-Katastrophe zwei Hubschrauber zerschellt. In Hannover gab es zwei Tote und 19 Schwerverletzte, und bei der Kehler Kirchweih im bayerischen Weissenburg kamen zwei Menschen um.

Besonders erschreckend: Jeder 16.Absturz der Höllenmaschinen geschah weniger als zwanzig Kilometer von einem Atommeiler entfernt. Die Statistik der Bundesregierung gibt (seit 1973) immerhin 23 Abstürze im AKW-Umfeld zu. Drei Jets rammten bei der Fünf-Kilometer-Marke vor einem AKW in den Boden, im vergangenen März verfehlte eine französische Mirage das AKW Ohu nur um eineinhalb Kilometer.

Die Bundesregierung bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, wie stark sich die Kampfflugzeuge auf ihrem Weg nach unten Munitionsdepots oder gefährlichen Anlagen wie Chemiefabriken oder Raffinerien näherten. Welches Unheil durch die Militär-Jets außerdem droht, macht die Zahl der statistisch erfaßten „gefährlichen Begegnungen“ deutlich. Danach entgingen in den letzten acht Jahren 106 Zivilflugzeuge nur knapp einem Zusammenstoß mit ihren Kollegen von der Luftwaffe. Mi

litärmaschinen halten sich nur mit Einschränkung an Zivilflugregeln. Auch der Absturz der Militärflugzeuge in Remscheid begann, als die Piloten eigenmächtig von der Flugroute abwichen, die die zivile Luftleitzentrale vorgegeben hatte.

Militärisches Geheimnis bleiben auch die Kosten der Abstürze. Olaf Achilles schätzt allein den Wert der Bundeswehr-Maschinen auf über sechs Milliarden Mark. Die Nato gab bekannt, daß sie innerhalb der letzten zwölf Monate Fluggerät für 1,7 Milliarden Mark verlor.