: Profitables Eintüten für Herrn Dr. Frey
■ Kuvertierfirma „Gebhard Müller“ in der Neustadt verdient an der rechtsradikalen „Deutschen Volksunion“ (DVU) / Seit dem Bürgerschafts-Wahlkampf '87 wird Dr. Freys Post fleißig eingetütet
Bürgerschaftswahlkampf Juni 1987: Die rechtsradikale DVU („Deutsche Volksunion“) macht von sich reden, weil sie in alle Hausbriefkästen und Türschlitze im Lande Bremen ihre ausländerfeindlichen Postwurfsendungen stecken lassen will. Von sich reden machen auch die bremischen Briefträger: Sie suchen nach gesetzestreuen Wegen, die neo-nazistischen Briefberge nicht ausliefern zu müssen. Wer damals keine Schlagzeilen, dafür bis heute aber stillschweigende Geschäfte mit den DVU-Postwurfsendungen macht, ist der smarte Bremer Unternehmer Gebhard Müller. Er ist Chef der gleichnamigen Kuvertierfirma in der Bremer Neustadt und läßt seine zehn bis zwölf Beschäftigten seit jenem Juni 1987 die Propaganda-Post des Dr. Frey in Umschläge stecken.
Zur Zeit sind es gerade die bremischen Apotheker, die DVU -Hochglanzschreiben, schwarz-rot-gold verziert, eingetütet kriegen. Weiterhin - alle vier bis sechs Wochen - werden diejenigen BremerInnen bedient, die sich auf Fragebogenaktionen der DVU gemeldet haben, die als potentielle Partei-Spender interessieren oder sonstwie auf die Adressenlisten der DVU geraten sind. Als Großauftrag steht das millionenschwere postalische DVU-Groß-Bombardement zur Europawahl ins Haus.
Unternehmer Gebhard Müller, jugendlich-dynamisch, macht kein Hehl aus seiner Tätigkeit: „Wir verschicken alles. Wenn wir's nicht machen, macht's ein anderer. Ich interessiere mich nicht für den Inhalt. Das wird hier angeliefert, und wir verpacken das. - Natürlich, die DVU, am Anfang hab ich da auch überlegt, aber wo ist die Grenze? Ich verschicke auch für Kredithaie, für dubiose Versandhäuser und Täto
wierentferner, für das Rote Kreuz und die anderen Parteien. Bei der SPD hat sich noch keiner aufgeregt, und die macht auch haarsträubende Dinge.“
Drei Betriebe teilen sich in Bremen den Markt. Von diesen dreien hatte es einer, die „Helga Otto GmbH“, kategorisch abgelehnt, die DVU-Drucksachen in Umschläge zu stecken. Die Firma Gebhard Müller hatte angefragt, ob die Helga Otto GmbH als Sub
unternehmer beim Kuvertieren unterstützen könnte, der DVU -Auftrag sei zu groß für nur einen Betrieb. Die Geschäftsleitung der „Helga Otto GmbH“ sagte zunächst auch ihre Mithilfe zu, stoppte den Auftrag jedoch „sofort am Eingang“, als die Ware angeliefert wurde: Gemeinsam mit seinem ausländischen Betriebsleiter beschloß Rudolf Otto, diese Propaganda-Papiere nicht einzutüten: „Das Argument, daß
bei uns viele Ausländer beschäftigt sind, hat bei dieser Entscheidung groß mitgespielt.“
Bei der Firma Gebhard Müller sind es weniger AusländerInnen, als deutsche Arbeitskräfte weiblichen Geschlechts, die in einem langgestreckten Arbeitsraum an den Kuvertiermaschinen sitzen. Sie alle sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Dieter Wilhelmi von der IG Druck und Papier: „Man kommt da nicht ran. Die Leute werden weit unter Tarif bezahlt und sind böse unter Druck.“
Eine ehemalige Angestellte, Jenny Anton, möchte sich zu den Arbeitsbedingungen bei Gebhard Müller nicht äußern. Sie hat im 87er Wahlkampf DVU-Material miteingetütet und würde das auch wieder tun: „Denn die DVU ist eine im Rechtsstaat zugelassene Partei.“
In der Kuvertierbranche hat, so Kleinunternehmer Rolf Wagemann, „jeder von dem DVU-Auftrag gewußt“. Doch warum hatte sich in jenem Juni '87 von den antifaschistischen BremerInnen keine/r gefragt, wie und wo in Bremen die neo -faschistischen Botschaften in die Briefumschläge gelangen? Ein kampferprobter Betriebsrat aus der Bremer Drucker -Branche: „Ich hätte es niemals für möglich gehalten, daß solche Sachen hier in Bremen gedruckt oder versandfertig gemacht werden.“
Barbara Debus
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