: Vom Tischerücken zum Satan
■ „Gesellschaft für Jugendhilfe und Kriminalitätsvorbeugung“ befaßte sich mit der Frage: „Frißt uns der Aberglaube?“
Der pensionierte Chef des Bremer Landeskriminalamtes, Dr. jur. Herbert Schäfer, ist auch im Ruhestand durch kriminelle Vorgänge sehr zu beunruhigen. Besondere Sorgen machen ihm derzeit die bisher nur „vereinzelten spiritistischen Seancen pubertierender Jugendlicher“, genauer: das seit zwei Jahren unter Bremer SchülerInnen um sich greifende „Gläser- und Tischerücken“ - von Experten auch als „vulgärspi
ritistische Übung“ einklassifi ziert, hervorgerufen durch einen „psychomotorischen Automatismus“ in der Muskulatur der hochkonzentrierten Sitzungs-TeilnehmerInnen.
Durch Atmungs- oder Konzentrationstechniken konfrontierten sich die TischerückerInnen mit ihrem „unterbewußten Material“ und gelangten manchmal zu beängstigenden „Botschaften“, die unerfahrene TischerückerInnen in tödliche Panik versetzen und in eine psychotische Isolation treiben könnten.
Für Schäfer handelt es sich beim „Tischerücken“ unter „verführbaren pubertären Jugendlichen“ zweifelsfrei um eine gefährliche „Einstiegsdroge“ in den härteren Okkultismus, in den Satanismus. Gestern hatte Dr. jur. Schäfer die Frage „Frißt uns der Aberglaube?“ zum Thema einer Arbeitstagung gemacht, ausgerichtet von seiner „Gesellschaft für Jugendhilfe und Kriminalitätsvorbeugung“.
Immerhin zwölf LehrerInnen, dazu etliche Pastoren und Sozialarbeiterinnen, sowie zahlreiche interessierte Bürger und auch SchülerInnen hatten sich zu der Tagung in der „Stadtwaage“ eingefunden. Schäfer war dennoch unzufrieden mit dem „eigenarti
gen Unterinteresse“ in Bremen, vor allem dem der Bremer Lehrer. In Nordrhein-Westfalen und Bayern sei die bedenkliche okkulte Welle unter den PennälerInnen bereits so weit angerollt, daß die Kultusministerien spezielle Richtlinien erlassen hätten.
Bei den sechs Vorträgen zum „Aberglauben“ ging es gestern um „Macht der Hexen“, „Astrologie“ und „Hellseherei“. Und ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle in Hamm berichtete ausgesprochen kundig und ohne Panikmache aus der Geschichte des modernen Satanismus:
In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, so der Experte, galt Aleister Crowley als der größte Satanist Westeuropas. In Sizilien gründete er einen streng hierarchischen Orden, in dem er seine Lehre lebte und predigte: keine sexuelle Gelegenheit auslassen, Frauen wie „Frischmilch“ verbrauchen, Tiere schänden. Rund sechzehn „Reinkarnationen“ von Aleister Crowley treiben derzeit ihr Unwesen in Westeuropa. Am bekanntesten ist der Michael D. Eschner - von einem Berliner Kammergericht verurteilt wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Ein großer Bericht in „Bild der Frau“ hatte ihm
kürzlich wieder neuen Zulauf beschert. Der Referent wußte ebenfalls zu berichten, daß einige neofaschistische Jugendgruppen sich nicht nur auf „Neo-Germanismus“, sondern auch auf „Jenseitskontakte“ verstehen.
Den ersten Expertenvortrag gestern hatte Dr. jur. Herbert Schäfer jedoch für sich selbst reserviert. Hat er doch einst an der Universität zu Bonn mit einer, so seine Selbsteinschätzung, „grundlegenden“ Arbeit über „Okkulttäter“ im Heilwesen promoviert.
Barbara Debus
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