: In geheimer Mission unterwegs
■ Russische Militärs werfen alliierten Militärmissionen in der DDR Spionage vor / 'Neues Deutschland‘ und Ost-'Berliner Zeitung‘ veröffentlichten Beitrag der sowjetischen Militärzeitung im Wortlaut / Alliierte „Spione“ seien mit Mercedes und Landrover unterwegs
Berlin (dpa/taz) - Den beim Oberkommandierenden der sowjetischen Truppen in der DDR akkreditierten Militärmissionen ist am Freitag im SED-Organ 'Neues Deutschland‘ Militärspionage vorgeworfen worden. Die Militärverbindungsmissionen, seien „faktisch zu Filialen der militärischen Aufklärungsdienste der USA, Großbritanniens und Frankreichs geworden“, heißt es in einem Beitrag der sowjetischen Militärzeitung 'Krasnaja Swesda‘ (Roter Stern), der im Wortlaut von dem SED-Organ und der Ost-'Berliner Zeitung‘ abgedruckt wird.
Mit Tarnanstrich versehene Limousinen und Geländefahrzeuge (“... flache Mercedesse, Opel oder wendige Geländefahrzeuge der Typen Landrover und Ford ...“) seien auf Straßen der DDR anzutreffen, die an Militärobjekten der sowjetischen Streitkräfte entlangführen. Auch auf Truppenübungsplätzen und in der Nähe von Eisenbahnstrecken, über die Militärtechnik befördert werde, sowie als „Begleitung“ von Militärkolonnen seien sie zu beobachten. Dabei verursachten sie nicht selten Situationen, die zu Verkehrsunfällen führten. Jährlich unternähmen sie mehr als 3.000 Fahrten zu Militärobjekten der „Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland“.
Die Verbindungsmissionen rekrutierten sich „aus erfahrenen Spezialisten, die in Spionagezentralen ausgebildet wurden, z.B. im Russischen Institut der US-Armee in Garmisch -Partenkirchen, im Institut für Ostsprachen in Paris und in der Baconsfielder Aufklärungsschule (Großbritannien)“, heißt es in dem von Major J.Leonidow und Hauptmann M.Sheglow verfaßten Artikel. Einige der „Aufklärer“ hätten ihre „professionellen Fertigkeiten im Apparat der Militärattaches bei den Botschaften ihrer Länder in Hauptstädten sozialistischer Staaten und in anderen Aufklärungsorganen der amerikanischen, britischen und französischen Armee sowie in Einheiten von Truppen für spezielle Kriegsführung - den Rangertruppen 'Green Berets'“ erworben. Sie führten ein reichhaltiges Sortiment optischer Foto-, Kino- und Videotechnik sowie Diktiergeräte und spezielle Geräte zur Funkaufklärung mit sich.
Bei ihren Fahrten ignorierten die Angehörigen der Missionen nicht selten die Grenzen der vom sowjetischen Stab deutlich gekennzeichneten Sperrzonen. Allein in den Jahren 1987/88 hätten sowjetische Militärangehörige in diesen Bezirken „dutzende Male unerlaubte Handlungen von Kraftwagenbesatzungen der amerikanischen, britischen und französischen Missionen“ unterbunden. Mit der Beschaffung der „Geheiminformationen“ verstießen die Mitarbeiter der Missionen „bewußt und auf grobe Art und Weise gegen die Ordnung und Vorschriften, die ihre Tätigkeit auf dem Territorium der DDR regeln“. Bei ihrer Arbeit setzten sie nicht nur technische Mittel ein, sondern suchten auch Kontakt zu sowjetischen Militärangehörigen, um bei Gesprächen entsprechende Angaben zu erhalten.
In dem Artikel wird auch an das „tragisch endende Geschehen“ um den amerikanischen Major Arthur D.Nicholson erinnert, der vor vier Jahren bei einer Fahrt in der Nähe von Ludwigslust von einem sowjetischen Posten erschossen worden war. Er habe den Befehl des Wachposten nicht Folge geleistet und sei in ein sowjetisches Militärobjekt eingedrungen.
Der Prozeß der vertrauensbildenden Maßnahmen auf einem so sensiblen Gebiet wie dem militärischen, heißt es in dem Beitrag, setze die strikte und exakte Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen voraus. Das Beispiel der Tätigkeit der westlichen militärischen Verbindungsmissionen beeinträchtige das erfolgreiche Vorankommen bei der Weiterentwicklung der Beziehungen und die Fortsetzung des gesamten Entspannungsprozesses.
Die Einrichtung militärischer Verbindungsmissionen war von den Oberbefehlshabern der vier Besatzungszonen im April 1947 vereinbart worden. Die Missionen der West-Alliierten befinden sich in Potsdam, die Sowjets richteten sich in Frankfurt am Main, in Bünde bei Herford und in Baden-Baden ein.
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