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„Ein typisch sozialdemokratischer Kompromiß“

SPD-Vorstandsmitglied Peter von Oertzen zum Kompromiß der SPD-Programmkommission zum neuen Grundsatzprogramm der Sozialdemokraten  ■ I N T E R V I E W

taz: Niederlage von Peter von Oertzen? Niederlage der linken Staatsinterventionisten? Sieg der Sozialliberalen?

Von Oertzen: Hinsichtlich der gesamten Programmdebatte kann gar keine Rede davon sein, daß wir - nicht nur ich allein als Verlierer dastehen. Bei dem Thema „Zukunft der Arbeit“, Verhältnis zwischen Erwerbsarbeit und gesellschaftlich notwendiger Arbeit, ist eine sinnvolle Lösung zustande gekommen - da haben wir uns mit unseren Gesichtspunkten durchgesetzt. In der Wirtschaftspolitik hat es - das ist richtig - einen Kompromiß gegeben. Ein gutes Drittel haben wir geprägt und zwei Drittel hätten wir uns ein wenig genauer vorgestellt.

Aber das ist keine eindeutige Niederlage. Umgekehrt: es hat den Versuch gegeben, alle Elemente öffentlicher Verantwortung aus der Wirtschaftspolitik, das heißt, die traditionelle Sozialpolitik der SPD, hinauszuwerfen. Der Angriff für ein reines sozialliberales Programm ist abgewiesen worden. So hat es einen typischen sozialdemokratischen Kompromiß gegeben.

Wie sieht der typische sozialdemokratische Kompromiß aus?

Es gibt eine Ergänzung im analytischen Teil, in dem die Macht der Großkonzerne und ihre Verfügung über die Investitionspolitik und die Entwicklung des gesamten Wirtschaftssystems bestimmt wird. Das war bisher so genau nicht benannt. Darüber hinaus sollen diese Großunternehmungen einer qualifizierten Informationspflicht gegenüber der staatlichen Wirtschaftspolitik unterworfen werden. Es geht nicht, daß wie bisher, die Unternehmen siehe RWE oder Imhausen in Bezug auf Libyien - erst dann die Hosen runter lassen müssen, wenn das Kind im Brunnen liegt. Außerdem: das Prinzip Wirtschaftsdemokratie ist im Text dem Prinzip des Wettbewerbs und des Marktes übergeordnet. Aber auch der staatliche Eingriff ist nur ein Element, das heißt, Wirtschaftsdemokratie ist nicht Staatswirtschaft. Es geht um die gesellschaftliche Prägung der Wirtschaft. Weiterhin: Bei der Frage des Arbeitnehmereigentums ist nicht nur Beteiligung am Gewinn, sondern auch die konkrete Verfügung vorgesehen, also die Möglichkeit von Arbeitnehmermehrheiten in Kapitalgesellschaften. All das stand ursprünglich nicht im Entwurf, das haben wir hineingestimmt.

taz: Qualifizierte Informationspflicht der Großkonzerne?

Das sind natürlich nur drei Sätze - es sollen die strukturbestimmenden Großunternehmungen verpflichtet werden, die staatliche Wirtschaftspolitik umfassend über die Unternehmensplanung zu informieren.

So eine Informationspflicht funktioniert doch nur bei Kontrolle? Spricht hier doch der Staatsinterventionist, der von der staatlichen Kontrolle alles erwartet?

Natürlich kommt es darauf an, wenn von Kontrolle gesprochen wird, wer sie in der Hand hat. Ob ein sozialdemokratischer Minister Wille und Durchsetzungsfähigkeit hat, diese Kontrollen durchzusetzen, muß man der politischen Auseinandersetzung überlassen. Zweitens: Ob man vernünftige Informationen bekommen wird? Hier bin ich, sind wir, nicht durchgekommen. Wir wollten die Montanmitbestimmung fortentwickeln und Vertreter des öffentlichen Interesses in den Leitungsgremien haben.

Was heißt jetzt Demokratisierung der Wirtschaft? Welche Instrumente, wenn man's nicht dem Markt überlassen will?

Zum Beispiel Ausbau der Mitbestimmung, staatliche Rahmenplanung unter Beteiligung der Betroffenen bis hin zu Umweltschutz- und Verbraucherverbänden. Aber kein staatliches Planungsamt, kein bürokratischer Zentralismus...

Das sagen Sie gegen Lafontaine, der ja erklärt hatte, ihre Ideen würden nicht einmal mehr von Gorbatschow akzeptiert werden...

Natürlich. Seine Bemerkung war - höflich ausgedrückt - ein mit dem Ziel der Desinformation in die Welt gesetzter Unsinn.

Zusammengefaßt: Zöpel sagte heute, das beschlossene Programm ist „links interpretierbar“, gewissermaßen analog zum Godesberger Programm, das ja dann auch in den siebziger Jahren von den Jusos links interpretiert wurde?

Völlig richtig. Der berühmte Godesberger Satz - „Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig“ - ist neu ins Programm genommen worden und zwar merkwürdigerweise auf meinen Antrag hin. Der Angriff der dezidierten Marktwirtschaftler ist mithin abgeschlagen worden. Es ist ein sozialdemokratisches Programm der linken Mitte entstanden, das man sich vom sozialistischen Standpunkt sehr viel konsequenter vorstellen könnte.

Nicht die Modernisierer haben über die Traditionalisten gesiegt, sondern die demokratischen Sozialisten über die Sozialliberalen?

Ich glaube, ich war erfolgreich, die Godesberger Linie fortzuführen.

Interview: Klaus Hartung

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