Seh'n oder Nichtseh'n

■ ARD: „Flitterabend“ mit Michael Schanze zum ersten Mal am Samstag

„Wer uns getraut, gehört verhaut“, sang mein Onkel früher seiner Gattin ins Ohr. Den frisch vermählten Brautpaaren, die sich in Michael Schanzes neuer Show zum Kasper machen, würde er wahrscheinlich zurufen: „Wer sich getraut, gehört verhaut.“ Mein Onkel ist nämlich ein etwas grämlicher Mensch und - wenn überhaupt - nur den niveauvollen Idiotien zugeneigt. Wenn also Saalkandidaten in ihrer ganzen unbeholfenen Geltungssucht den Schadenfreud im Zuschauer befriedigen, der sich bequem im Sessel lümmelt und so viel unfreiwillige Komik gar nicht fassen kann - dann fühlt sich mein Onkel auf der Höhe seiner Amüsierfähigkeit angesprochen. Und nun gibt es eine Tendenz im deutschen Showgewerbe, die Saalkandidaten nicht mehr so richtig zu blamieren, wie das Peter Frankenfeld konnte, sondern sie für nichts und wieder nichts - aufs reichlichste zu beschenken, damit das Fernsehen sich in all seiner Güte präsentieren kann. Jetzt also reicht es schon, wenn man sich zehn Tage vor dem „Flitterabend“ getraut hat, sich trauen zu lassen, und schon wird man - in Brautkleid und gutem Anzug von Michael Schanze schmierig-jungenhaft begrabbelt, darf Männern in der Badewanne den Rücken schrubben, sich - wenn man Braut ist - die blödesten Zoten anhören und - wenn man Bräutigam ist - sich Arm in Arm mit Schanze vertraulich über „das strenge Gesicht“ der Braut beölen. Nur: Blamieren tun sich heutzutage nicht mehr die Kandidaten; blamieren tut sich nur noch der Kerl, der als Showmaster sein Dasein fristet.

„Es ist schon mit Herzbumpern verbunden, wenn man eine Live -Show macht“, buhlt Schanze um Verständnis. Auch das ein neuer Trend im Showgewerbe: Man gibt sich niedlich-klein und duckt sich weg, damit den alten Tanten die Brust vor Mitleid mit dem Bubi schwillt. Wen hätte es je interessiert, ob Kulenkampf Herzbumpern hat? Wir wollen von Entertainern unterhalten werden und nicht von schwitzhändigen Prüfungskandidaten, die auch noch - wie Schanze - keine Gelegenheit verstreichen lassen, sich penetrant und ekelhaft servil kollegial zu geben: Wie oft er Elstners Gähnfiasko „Nase vorn“ lobend erwähnte oder verteidigte, das geht auf keinen Nashornpanzer. Natürlich ließ er sich die Schweinigeleien mit dem „Rubbeln“ nicht entgehen: „Hier wird jetzt nicht gerubbelt“, grinste er - ganz Wutz - ins Publikum, als die drei fremden Männer nackt im Schaume saßen. „Wir wollen von den Göttergatten wissen, bei wem ihre Frau gern schrubben würde“. „Juchujuchuuuh“, grölte die Publikumsherde und grölte wieder, als Schanze Zwillingsbräute auf die Bühne bat: „Über den wichtigsten Sachen haben sie ja das herrliche Brautkleid drüber.“

Das Ehebett darf natürlich bei einer Show, die von all den verschwitzten Bett-nackt-und-Bums-Phantasien lebt, nicht fehlen. Das Brautpaar hockt unter einem Baldachin, und nach jeder nicht beantworteten Frage steigt einer von der mitgebrachten Hochzeitsgesellschaft auch hinein: krachwumm, die Lade knallt - „juchujuchuuuh“ -, und Schanze sagt, falls eine Frau ins Bett gestiegen ist: „Na, Sie sind aber 'n schweres Mädchen“. „Höhöprrrprrr“ prustet und jodelt die Studioschar. Endgültig kein Halten gibt es mehr, als der Siegesbräutigam seine Siegesbraut auf eine Torte „malen“ soll und Schanze vorschlägt: „Sie können sie ruhig auch nackt aufspritzen.“ Das hat sich der Göttergatte aber nicht getraut - dafür gehört nur Schanzes Michael verhaut.

Sybille Simon-Zülch