KLETTERGERÜST IM PARADIES

■ Peter Hacks „Adam und Eva“ im Theater am Forum Kreuzberg

Außer dem Apfel wuchsen im Paradies sicher auch alle anderen Früchte, die es gibt. Das Obst der Erkenntnis ist im Theater am Forum Kreuzberg ein ganz normaler roter Apfel, aber Erdbeere, Banane und Ananas sind überdimensional groß, knallbunt und kuschelig wie Knautschsessel. Bühnenausstatter Herbert Utiger-Apyon hat Gott beim Wort genommen und die Stofflichkeit der Schöpfung ganz in Textil gefaßt. Und so schweben Gabriel und Gott über einer Art poppigem Riesenbett in das Vorspiel hinein.

Während Gabriel (Julian Roffhack) schon nach wenigen Sätzen an der Stofflichkeit und der seiner Meinung nach damit verbundenen Unvollkommenheit der Schöpfung herummäkelt - er hätte so gern, daß alles, was Gott anfaßt, perfekt wird balancieren seine Meister und er drei Meter über dem Daunengebirge eine Wippe aus. Auch die nächsten zweieinhalb Stunden beweisen die drei Außerirdischen des Stücks, Gott, Gabriel und Satanael, einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn: Sie hüpfen auf schmalen Gerüsten entlang und klettern einen Bademeisterhochsitz hinauf und hinunter.

Gabriel gelingt dieser Akt sogar auf Rollschuhen, die er sich angeschnallt hat, um mit der Schreckensnachricht von Satanaels Ankunft im Paradies zu seinem Herrn zu flitzen. Er weiß aber nicht, daß der Allwissende davon natürlich bereits weiß, und macht in seinem Diensteifer überhaupt alles so herrlich falsch, daß Gottes Geduld mit ihm Wunder nimmt. Zuviel wird es nur, als Gabriel dem sich endlos dahinziehenden Geschlechtsakt der Erdenwürmchen Adam und Eva zuschauen muß und dazu im Takt mit seinem Regenschirm pumpt. Aber das geschieht ihm erst nach dem Sündenfall, einer alles auseinanderreißenden Pause, nach der die Aufführung zunächst einmal nur noch mit Gags auf Schenkelklatschen zielt.

Bis dahin ist aber alles ganz paradiesisch. Adam und Eva halten sich an den Händen, und die roten Pausbäckchen auf den Gesichtern von Martin Schwartengräber und Ulrike Hanne machen sich prächtig zu ihren bunten Zottelhemdchen und ihren türkisfarbenen Gymnastikhosen mit dem Graffitimuster. Das Paar hüpft durch den Garten Eden und turtelt Liebeslogien, zu denen die Vögelchen tirilieren. Regelmäßig besucht Gottpapa Niels Kramer seine Kinderlein und vernarrt sich väterlich in die „gut entwickelte“ Eva, die sich übrigens von ihrer biblischen Vorlage dadurch unterscheidet, daß sie ein helleres Köpfchen hat als ihr Spielgefährte. Es scheint, als ob nur Satanael diesen paradiesischen Frieden stören könnte.

Satanael wird von einer Frau gespielt, Bärbel Kramer, und sie kann den Teufel abwechselnd so schadenfroh, kratzbürstig und kindlich beleidigt sein lassen, das er liebenswerter erscheint als der verbeamtete Erzengel, über dessen Unerfahrenheit Satanael nur noch stöhnen kann. Als Satanael noch im Himmel weilte, liebten die beiden sich wie Brüder, aber seit seinem Fall hassen sie sich und machen sich gegenseitig das Dasein schwer.

Wie groß ist daher ihre Enttäuschung, als sie erfahren müssen, daß der Menschen Apfelbiß gar kein Sündenfall und all ihre Mühen, ihn herbeizutricksen oder zu verhindern, nur gottgewollt war. Gott hat die Menschen nämlich - und da wird Hacks fast jesuitisch - die Freiheit des eigenen Willens geschenkt, um es ihnen zu ermöglichen, an sich selbst arbeitend zu einem freien Gegenüber für ihn zu werden.

Adam und Eva des Forum Theaters wecken nicht gerade Hackssche Hoffnung auf das künftige Menschengeschlecht. Adam entwickelt sich gleich nach dem Apfelbiß zum groben Macho, Eva findet gar Gefallen daran, und Adams große Rede zur Emanzipation der Menschen fällt nach den vielen Gags des zweiten Teils moralinsauer und lahm aus. Danach können die Himmlischen gar nicht anders, als den Davonziehenden hilflos nachzuschauen. Vielleicht muß das aber sein, denn was Adam und Eva aus ihrem neugewonnenen freien Willen machten, ist ja gemeinhin bekannt.

Claudia Wahjudi

Peter Hacks: Adam und Eva, im Theater am Forum Kreuzberg, Eisenbahnstr. 21, 1/36, Do bis So jeweils 20 Uhr bis zum 12.3.89; Abendkasse ab 18 Uhr, Tel.: 6182222