piwik no script img

Potemkins Brandzentrum

■ Diepgen weihte im November ein Zentrum ein, das heute noch nicht in Betrieb ist / AL: Eröffnung des Brandzentrums am Urban-Krankenhaus war nur Show

Eine „schamlose Täuschung der Öffentlichkeit“ wirft der AL -Parlamentskandidat Bernd Köppl dem Regierenden Diepgen (CDU) vor. Ein „Potemkinsches Dorf“ habe Diepgen eröffnet, als er am 17.November das neue Zentrum für Brandverletzte am Urban-Krankenhaus einweihte.

In der Tat hat bis heute noch kein Patient das Zentrum von innen gesehen. Baupolizeilich abgenommen wird es erst am 26.Januar. Erst am 2.Februar sei damit zu rechnen, daß die sechs Betten belegt werden können, bestätigte gestern Frau Boedefeld von der Krankenhausleitung. Diepgen-Sprecher Fest ist großzügig: „Dann stand der 17.November doch noch in engem Zusammenhang mit dem eigentlichen Eröffnungstermin.“ Einen ganz „wesentlichen Unterschied“ will Johannes Bruck, der zuständige Chefarzt, betont wissen: „Es war als Einweihung, nicht als Eröffnung deklariert.“

Eigentlich, so Bruck, sollte das 18Mio. Mark teure Zentrum durchaus am 15.11. fertig sein. Kurz vor der Einweihung habe das Krankenhaus aber einige „Schludereien“ in dem Bau festgestellt. Entstanden seien die Nachlässigkeiten wohl, weil Senat und Krankenhaus die Firmen unter Zeitdruck gesetzt hätten. Jetzt bräuchten sie einige Wochen, um die Mängel nachzubessern.

Am 17. November sei „kein Potemkinsches Dorf“ vorgeführt worden, versichert Frau Boedefeld. An „das übliche Ritual einer Eröffnung“, erinnert sich der Präsident der Ärztekammer, Ellis Huber. Mit welcher Liebe zum Detail das Ritual inszeniert wurde, kann die Kreuzberger AL -Gesundheitsstadträtin Brunhild Dathe erzählen. Die Deckenplatten, so Dathe, seien extra zur Einweihung provisorisch eingehängt worden. Sie mußten hinterher wieder raus. Man habe hinterher entdeckt, daß die Deckenverkleidung nicht den Brandschutzbestimmungen entsprochen habe, behauptet Chefarzt Bruck. Die Firma Grünzweig Hartmann erinnert sich anders: Sie habe die Platten von Anfang an nur in „temporärer Bauweise“ angebracht. „Wer bezahlt die provisorische Decke?“, fragt sich Stadträtin Dathe. Die Firma „geht davon aus“, daß „wir die Kosten nicht tragen“. Nur um einige tausend Mark geht es bei dem Streit. Frau Dathe denkt trotzdem daran, dem Urban-Krankenhaus den Innenrevisor auf den Hals zu schicken, falls das Krankenhaus eine Decke zahlen muß, die nur „Diepgens Showsucht“ (Köppl) diente.

Wahlkämpfer Diepgen müßte sich entschuldigen, findet Wahlkämpfer Köppl. Er erinnert daran, daß auch der Kammermusiksaal noch lange nicht fertig war, als er mit einem Konzert eingeweiht wurde. Gelassener bleibt Kammerpräsident Huber: „Wenn ich eine gutinszenierte Show nicht durchschaue, dann bin ich ärgerlich, aber zunächst auf mich selbst.“

hmt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen