piwik no script img

Turm oder Dame?

Bundeseigener Betrieb im Libyen-Geschäft  ■ K O M M E N T A R E

Auch Dummstellen deutscher Politiker muß nicht ausschließlich mit Dummheit begründet sein. Bislang blieb bei der libysch-deutschen Giftgasachse unklar, warum der lautstarke Biedermann Kohl mit dem angeblich unbefleckten Ehrenschild der deutschen Exportindustrie herumfuchtelte. Warum brachte sich die ganze Regierung in Frontstellung gegen die Amerikaner, warum wurde die Unglaubwürdigkeit von Genschers Auftritt auf der Chemiewaffenkonferenz in Kauf genommen? Nur um die Mittelstandsfirma Imhausen zu schützen? Warum vor allem konnten die USA so präzise sagen, daß die Bundesregierung schon Ende 1988 genau informiert sei, wie stark deutsche Firmen in Rabta involviert wären? Weil sie natürlich über die Freundschaft CIA/BND davon wußten, daß der BND informiert hatte. Warum versuchte die Bundesregierung sich trotzdem hinter dem Mangel an Beweisen zu verstecken? Hinter dem dumm-biederen Aussitzen mußte ein überaus bedeutendes Vertuschungsmotiv stecken. Die Tatsache, daß die bundeseigene „Salzgitter Industriebau GmbH“ an der deutsch-libyschen Giftachse beteiligt ist, sie reicht aus, um die hilflosen Manöver der Bundesregierung zu erklären.

Ab jetzt geht es rund, jetzt rückt der Birnamwald heran: die Beweislast ist umgekehrt. Solange es sich um eine Privatfirma handelte, durfte man um Beweise bitten; bei einer bundeseigenen Firma muß bewiesen werden, daß Salzgitter das Täuschungsmanöver der Imhausen-Chemie nicht durchschaute. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Und er ist der beste Außenhändler dieses Landes, von Südafrika über Irak, Pakistan bis Libyen. Aber: Nunmehr ist die bundesdeutsche Exportpolitik selbst unter Anklage. Die Regierung hat sich in eine politische Krise nicht gegenüber den Amerikanern, sondern auch gegenüber der UN hineindementiert, eine Krise, die sie mit den bisherigen Mitteln nicht durchstehen wird. Bauernopfer sind nicht mehr ausreichend, Turm oder Dame ist gefordert. Wenn man sich umschaut nach Köpfen, die rollen könnten, scheint die Wahl einfach: Stoltenberg; er ist verantwortlich für die bundeseigenen Firmen und den Zoll.

Klaus Hartung

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen