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Jetzt wird doch 18 Monate marschiert

■ Koalition beharrt auf Wehrdienstverlängerung um drei Monate / Bundesverteidigungsministerium: Festhalten verhinderte falsches Signal an die Verhandlungen über konventionelle Abrüstung / Scholz wieder zufrieden

Bonn (ap/dpa/afp) - Die Koalition von CDU, CSU und FDP hält trotz des bestehenden Überhangs von Wehrpflichtigen an der Verlängerung des Wehrdienstes um drei auf 18 Monate ab 1.Juni dieses Jahres fest. Das ist das Ergebnis des Koalitionsgesprächs bei Bundeskanzler Helmut Kohl am Dienstag morgen. Verteidigungsminister Scholz (CDU) hat sich über diese Entscheidung zufrieden gezeigt. Unmittelbar nach der Sitzung sagte Scholz, er halte „dies für eine wichtige und richtige Entscheidung“. Die Bundesrepublik brauche vor allen Dingen wieder „Ruhe und Verläßlichkeit nach außen wie nach innen, auch in die Bundeswehr selbst hinein und den Bündnispartnern gegenüber“.

Der FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff erinnerte daran, daß die Freien Demokraten für eine Verschiebung der Wehrdienstverlängerung eingetreten seien. Dies wäre möglich und vertretbar gewesen. „Vor allem hat uns in dieser Frage das Thema Wehrgerechtigkeit bewegt.“ Dabei „tröstet es uns und stellt uns jetzt auch zufrieden“, daß Scholz noch einmal erklärt habe, jeder, der seinen Antrag auf Einberufung stellt, könne innerhalb eines Jahres zuverlässig mit seiner Einberufung rechnen. Damit werde die Unsicherheit über Einberufungstermine gemildert. Über die innere Struktur der Bundeswehr werde noch einmal gesprochen.

Im Bundesverteidigungsministerium wurde darauf hingewiesen, daß man mit dem Festhalten an dem bereits 1986 beschlossenen Gesetz auch die Absicht verfolge, kein falsches Signal für die konventionellen Abrüstungsverhandlungen (KRK) zu setzen. Das Kabinett habe festgelegt, daß es bei dem Umfang der Bundeswehr von 495.000 Mann bleibe. Ohne eine Dienstverlängerung wäre Mitte der neunziger Jahre ein Wehrdienst von 21 Monaten nötig, hieß es auf der Hardthöhe.

Die SPD hat die Entscheidung der Koalition kritisiert. Stures Festhalten an einmal gefaßten Beschlüssen habe über Lernfähigkeit gesiegt, erklärten die SPD-Politiker Horn, Kolbow und Heistermann. Die Lebensplanung einer ganzen Generation werde nicht gerechtfertigten Interessen einer rigiden Wehrpolitik unterworfen.

Im vergangenen Jahr haben insgesamt 77.044 Wehrpflichtige den Dienst bei der Bundeswehr verweigert. Bei einer Jahrgangsstärke von 374.000 gemusterten jungen Männern entspreche dies einer Verweigerungsquote von 20,58 Prozent, teilte die Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner am Dienstag mit. Gegenüber 1987 mit 63.073 Wehrdienstverweigerern habe sich eine Steigerung von fast 14.000 Antragstellern ergeben. Seit 1956 hätten 982.000 junge Männer einen Antrag auf Freistellung vom Wehrdienst aus Gewissensgründen gestellt.

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