: Verpackungsmüll ist Mist
■ Umweltinitiative „Müllnetz“ agitiert gegen Verpackungswahn
Umweltschutz macht Spaß! Umweltschutz bringt Gewinn! Was sich eine Supermarktkette in unübersehbaren Lettern unter die Decken ihrer Filialen gehängt hat und per Preisausschreiben zum Thema „umweltfreundliche Haushalte“ propagiert, ist nur Werbung. Eine neue Umweltinitiative mit dem Namen „Müllnetz“ hat damit begonnen, draußen vor den Supermärkten ernstgemeinte Umweltaktionen zu betreiben. „Umweltschutz wider die Verpackungsgesellschaft“ ist das Anliegen der Müllnetz-MitarbeiterInnen, die sich aus 24 verschiedenen Umweltschutzgruppen zum Thema „Müll“ zusammengeschlossen haben. „Der tagtägliche Müll muß der Bevölkerung öffentlichkeitswirksam vor Augen geführt werden. Müll, das muß endlich auch der letzte begreifen, ist vermeidbar“, so erklärt ein „Müllnetz„-Mitarbeiter die Zielsetzung der Initiative.
Daß die Müllproblematik nicht nur ein Fall für Schreibtischtäter ist, das haben die InitiativlerInnen in einer ersten Supermarktaktion am vergangenen Samstag bewiesen. In einer Neuköllner Bolle-Filiale starteten die Müllnetz-UmweltschützerInnen zunächst einen Großeinkauf, zahlten brav die Rechnung und - machten sich hernach an sämtlichen Verpackungen zu schaffen. Milch, Joghurt, sogar Suppen füllten die AktionistInnen vor versammelter Bolle -Kundschaft in mitgebrachte Behältnisse um. „Müll ist vor allem Abfall, der durch Verpackungen entsteht“, so die Botschaft der Umfüllaktion. Gemeint seien damit, so ein Sprecher der Müllnetz-Initiative, auch Verpackungsmaterialien, die recycelbar sind. „Wenn ein Verbraucher Einwegflaschen kauft, weil er mit gutem Gewissen denkt, die seien ja recycelbar, dann ist das Mist. Recycling darf Abfallvermeidung nicht verhindern.“ Gerade aus hochwertigen Rohstoffen würden nach dem Recycling oft minderwertige Produkte, begründet der Müllnetzler den feinen Unterschied zwischen sinnvoller und sinnloser Wiederaufbereitung.
Angesprochen auf den neumodischen Verpackungswahn in Kaufhäusern, die mittlerweile über ganze Abteilungen verfügen, in denen man sich für viel Geld das Gekaufte in Unmengen Zellophan und Plastik einwickeln lassen kann, kommt die Antwort des Müllnetzmitarbeiters ganz alternativ: „Wenn schon Verpackung, dann doch gefälligst aus Umweltschutzpapier. Da gibt's ja auch Papier, das nicht ganz so grau ist, und sogar 'schön‘ aussieht.“ - „Ästhetik hin oder her, es kommt doch schließlich auf den Inhalt an. Gerade Verpackungen produzieren oft Konsumbedürfnisse, die jeglicher Grundlage entbehren.“ Erreicht werden soll das ökologische Konsumverhalten, so die Müllkritiker, mit einem zugkräftigen Ökobesteuerungssystem: Müllproduzierende Waren sollen „unbezahlbar“ werden. Die Müllnetz-Leute diskutieren zur Zeit, wie und wo sie ihre Aktionen fortsetzen vielleicht in Kürze vor Ihrer Bolle- oder Reichelt -Filiale?
Christine Berger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen