Ein Freibrief für Großröstereien

■ Modellhaftes Umweltentlastungskonzept für Neuköllner Gewerbebetriebe noch Papier / Großröstereien ausgespart

Wenig greifbare Ergebnisse hat bisher ein von der Umweltverwaltung in Auftrag gegebenes „Umweltentlastungskonzept Neukölln“ für Industrie- und Gewerbebetriebe im Bezirk gebracht. Nur in vier Unternehmen steht bislang die Erprobung des Konzeptes an. Erfolgreich verliefen unter anderem Vorgespräche mit zwei Firmen im Industriegebiet an der Neuköllnischen Allee über die Einrichtung eines von weiteren Großbetrieben zu nutzenden Dampfverbundnetzes. Eine Vorreiterrolle bei der Installation eines solchen Energieverbundes wollen die Meyerei-Zentrale und die benachbarten Melitta-Kaffeefilterwerke spielen, wie es am Donnerstag auf einer Pressekonferenz Umweltsenator Starnicks hieß. Die Meyerei-Zentrale, die mit Dampf ihre Milchverpackungen und Produktionsanlagen sterilisiert, hat dazu noch eine mit Schweröl betriebene Uralt-Kesselanlage, die sie bis 1991 nach den Auflagen der Technischen-Anleitung -Luft Minderung der Staubwerte auf den neuesten Stand der Technik bringen müßte. Nun wurde vereinbart, daß Melitta den in einem eigenen Heizwerk erzeugten Überschußdampf über eine Dampfbahn an das Nachbarunternehmen abgibt.

Dagegen wird es, verursacht durch fehlende Geruchsfilter bei einer Schokoladenfabrik an der Köllnischen Heide in Böhmisch-Rixdorf, nach Kakao stinken. Die im Südosten Neuköllns ansässigen Kaffee-, Kakao- und Tabakröstereien wurden in das computerberechnete Entlastungskonzept zur Schadstoffminderung bei Großemittenden nämlich nicht einbezogen. In der Konzeptzusammenfassung der beauftragten Ingenieurbüros bedauert man dies zwar, doch klingen die vorgebrachten Gründe alles andere als einleuchtend. Einmal gehörten die Großröstereien zu Konzernen außerhalb Berlins und hätten nur eine begrenzte eigene Entscheidungsfreiheit, steht zu lesen. Andererseits seien die Gestanksverbreiter hochspezialisiert und „nicht unbedingt auf externe Hilfestellung angewiesen“. Was die anderen Ortes angebotene Hilfestellung bei Umweltmaßnahmen anbelangt, geben sich die Planer indes ungewohnt realistisch. Nach ihren im Rahmen des Projektes gewonnenen Erkenntnissen sind im allgemeinen nur solche Betriebe für eine freiwillige Kooperation zu gewinnen, die hierdurch wirtschaftliche Vorteile erkennen, bei denen zukünftige Standortprobleme abzusehen sind, oder „Handlungsdruck aufgrund behördlicher Auflagen“ besteht. Folglich mußte es der Umweltsenator auf Nachfrage gänzlich offenlassen, ab wann in Neukölln mit einer spürbaren Verbesserung der Umweltsituation gerechnet werden kann.

Im Ergebnis des eine Million DM teuren und von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zur Hälfte finanzierten Entlastungskonzeptes sind allerdings wesentliche Umweltverbesserungen schon kurzfristig erreichbar, wenn sie sich auf 60 von 2.000 Betrieben beschränken, die im Bezirk Schadstoffe ausstoßen. Der strategische Ansatz seien branchenübergreifende Lösungen für „Verbünde von Betrieben“, so Starnick. Für insgesamt 33 Firmen fertigte die Verwaltung gratis umweltpoltische Alternativkonzepte, die mit Geldern aus staatlichen Töpfen zu finanzieren wären. Beispielsweise gibt es Überlegungen, wie die Ausdünstungen von Perchlorethylen aus chemischen Reinigungen innerhalb weniger Jahre um bis zu 90 Prozent reduziert werden können.

Thomas Knauf