: Männer sind „gründlich“, Frauen nur „fleißig“
■ „Zu Lehren gestatte ich dem Weibe nicht“: Hearing der AL zur „Situation von Frauen an den Hochschulen“ / 1988 nur 7,9 Prozent aller Professuren an der Berliner Universität mit Frauen besetzt / Desaster der Frauenförderung stand im Mittelpunkt der Diskussion
Subtil sind die Mechanismen der Diskriminierung: ob in einem professoralen Gutachten die langatmige Arbeit des männlichen Bewerbers „gründlich“ genannt oder aber die ebenso langatmige Arbeit der weiblichen Bewerberin „fleißig“ dazwischen liegen Welten. Die Soziologin Gabi Althaus berichtete auf der AL-Veranstaltung zur „Situation von Frauen an den Hochschulen“ aus dem desillusionierenden Alltag Berliner Berufsungskommissionen. Ihre Beispiele machten deutlich, auf welch simple und doch wirksame Wiese sich der universitäre Männerclub gegenüber den Ansprüchen der Frauen verteidigt. „Zu Lehren gestatte ich dem Weibe nicht“ hieß auch der sinnige Titel des Hearings, das am Donnerstag abend im Rathaus Charlottenburg stattfand. Erneut stand also das Desaster der Frauenförderung im Mittelpunkt der Diskussion.
Im Jahr 1988 waren nur 7,9 Prozent aller Berliner Professuren mit Frauen besetzt. 1987 waren es 7,8 Prozent. Auf den 161 Berufungslisten der FU 1988 standen 406 Namen darunter 34 Frauen.
Aber selbst, wenn eine Frau es bis zu Platz ein der Berufungsliste bringt, ist das noch keine Garantie. Ulla Bock von der ZE Fraunforschung verwies auf den jüngsten hochschulpolitischen Skandal um die Berufung Margit Mayers an das Otto-Suhr-Institut. Auf Intervention von Wissenschaftssenator Turner wurde ein männlicher Bewerber schließlich auf Platz ein gehievt.
Nahezu einhellig befand das Podium, daß die Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes in punkto Frauenförderung das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Ebenso wenig die „Selbstverpflichtung“ der FU - immerhin datiert der „Frauenförderungsbeschluß“ schon aus dem Jahr 1980. Jetzt könnten nur noch „verbindliche Zielvorgaben“, so Carola von Braun, bzw. Quoten Abhilfe schaffen, mit Sanktionsmöglichkeiten und Rechtsansprüchen der betroffenen Frauen. Barbara Riedmüller, seit einem halben Jahr Vizepräsidentin der FU, sprach sich dafür aus, schon jetzt „Einstellungsvorgänge zu begleiten“. In welcher Form dies geschehen könnte, ließ sie allerdings offen.
Carola von Braun hatte gleich einen ganzen Katalog an Maßnahmen parat: neben den genannten „Zielvorgaben“ forderte sie universitäre Frauenbeauftragte mit Kompetenzen, zusätzliche Professorenstellen und Promotions- und Habilitationsstipendien für Frauen, aber auch außeruniversitäre Forschungs-Programme. Da ihrer Erfahrung nach viele der arbeitslosen Akademikerinnen von Armut bedroht seien, könnten solche Programme zumindest eine „Überbrückung“ der angespannten Situation darstellen. Schließlich stellte sie eine Bundesratsinitiative des Senats in Aussicht, mit der eine Novellierung des BerlHG erreicht werden soll. Eine Absichtserklärung, die von ihrem Parteikollegen Michael Tolksdorf bekräftigt wurde.
Denn mit mehr Geld und Stellen ist es langfristig nicht getan. Wie Lieselotte Steinbrügge von der FU deutlich machte, hat sich das BerlHG, das wieder die alte „Ordinarienherrlichkeit“ installiert habe, sehr zu Ungunsten der Frauen ausgewirkt.
Obwohl die unabhängige Stellung der „Mittelbauern“ auch die Männer einschränke, würden Frauen, die öfter „Außenseiterinnen“ oder Quereinsteigerinnen seien, davon besonders betroffen. Konflikte seien vorprogrammiert, denn „von einer Frau erwartet ein Professor immer noch mehr Dienstfertigkeit als von einem Mann“. Frauen würden ganz selten die Signale bekommen, daß sie wirklich als Kollegin erwünscht sind. Wozu dann also die Mühen des Konkurrenzkampfes und die wenigen aussichtslosen Stellen in Kauf nehmen? Weiterhin habe die Beschneidung der Mitbestimmungsrechte von Studentenschaft und Mittelbau dazu geführt, daß kaum neue Inhalte in die universitäre Lehre aufgenommen würden.
Dennoch hat die FU in den letzten Tagen die Einrichtung vier neuer Frauenforschungsstellen beschlossen, wie Barbara Reidmüller nicht ohne Genugtuung berichtete. Aber auch hierüber herrschte kein Jubel. Zu Recht wurde die Frage aufgeworfen, ob „Frauenforschung“ nicht dazu herhalten müsse, die Defizite bei der Frauenförderung zu kaschieren. Denn - so Gabi Althaus - „eine Frauenforschungsstelle läßt sich immer noch besser durchsetzen als die Besetzung des Lehrstuhls für politische Ökonomie mit einer Frau“.
Helga Lukoschat
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